Nach drei Jahren Covid 19-bedingter Pause fand von 27. bis 30. April 2023 erstmals wieder die Leipziger Buchmesse statt. Österreich war eingeladen worden, sich bei der Rundumschau der Buchbranche als Gastland zu präsentieren und tat dies unter dem Motto meaoiswiamia.
Katja Gasser, die künstlerische Leiterin des Österreich-Auftritts, organisierte dafür ein spannendes und diverses Programm, das „politisch wie poetisch, schrill wie still“ sein (Salzburger Nachrichten, 06.02.2023, S. 8) und die Präsenz der heimischen Literaturszene, insbesondere der österreichischen Verlage auf dem deutschen Markt stärken solle.

Der Slogan meaoiswiamia – der Begriff wurde von Schriftsteller Thomas Stangl er- und gefunden – orientierte sich „an der spezifisch österreichischen Literaturtradition à la H.C. Artmann“ (Tiroler Tageszeitung, 18.03.2022, S. 14) und „gemahnt an experimentierfreudigere Mundartlyrik“ (Tiroler Tageszeitung, 03.03.2023, S.  14). meaoiswiamia war bewusst „als sanfter Gegenbegriff zum tief verwurzelten ‚mia san mia‘“ (Tiroler Tageszeitung, 18.03.2022, S. 14) gewählt worden und solle „zur Auseinandersetzung mit Sprache und Identität“ (Kleine Zeitung Graz, 28.04.2023, S. 2) einladen.

Übergeordnetes Ziel war es, aufzuzeigen, dass die österreichische Literatur mehr als ein simples, nicht jederzeit inklusiv denkendes „wir“ umfasse. Die Kampagne spiegle die gesellschaftlichen Veränderungen seit Österreichs letztem Gastland-Auftritt in Frankfurt im Jahr 1995 wider, so Katja Gasser in einem Presse-Interview, und nannte in diesem Zusammenhang die Namen Tanja Maljartschuk, Mascha Dabić und Fiston Mwanza Mujila – alle drei seien Indikatoren dafür, wie weitläufig, divers und heterogen die heimische Literaturszene geworden sei (Die Presse, 21.04.2023, Schaufenster, S. 21). Die österreichische Literatur anno 2023 verstehe sich als progressiv und selbstkritisch, als vielstimmig und mehrsprachig, als formenreich und musikalisch, als „geschichtsbewusst, humorbegabt, kulturell offen“ (Kleine Zeitung Graz, 23.04.2023, S.74).

Über 200 heimische Autor:innen – von Robert Menasse über Maja Haderlap, Teresa Präauer und Arno Geiger bis zu Bodo Hell – waren vor Ort für Buchpräsentationen, Lesungen und Diskussionen anwesend. Begleitet wurden sie branchenseitig von gut 64 Einzel-Verlagsständen sowie dem Stand der IG Autorinnen und Autoren, der weiteren rund 60 Verlagen eine Plattform bot. Im Rahmenprogramm fanden sich zudem Theateraufführungen, Performances, Konzerte und Filmvorstellungen, so z. B. ein Gastspiel der Burgtheater-Produktion Die Schwerkraft der Verhältnisse nach dem Debütroman von Marianne Fritz und ein Screening des in der Sparte Dokumentarfilm sowohl mit dem Österreichischen als auch dem Deutschen Filmpreis 2023 prämierten Filmporträts Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen.

Unter dem Titel Jetzt und alles – Österreichische Literatur. Die letzten 50 Jahre wurde eine Ausstellung des Literaturmuseums der Österreichischen Nationalbibliothek in Kooperation mit dem Deutschen Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek im Rahmen der Leipziger Buchmesse eröffnet und blieb das restliche Jahr hindurch bis Anfang 2024 öffentlich zugänglich. Die Schau stellte wichtige österreichische Autor:innen von den 1970er-Jahren bis in die Gegenwart vor, erzählte Entstehungsgeschichten von Texten und behandelte das Instrumentarium der Schreibenden: die Schreibtechniken und -prozesse ebenso wie die Materialitäten der Texte.

Mit der enormen Präsenz der österreichischen Literaturszene auf der Leipziger Buchmesse 2023 ging eine außerordentliche mediale Aufmerksamkeit und dementsprechend dichte Berichterstattung einher, die nicht zuletzt aufgrund von Auftaktveranstaltungen und Rahmenprogrammpunkten den Feuilletons der österreichischen Zeitungen und Zeitschriften auch in den Monaten vor und nach dem Messeereignis ausgiebigen Inhalt bot.

Insbesondere die Eröffnungsreden von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Schriftsteller Doron Rabinovici erhielten viel Medienresonanz. Rabinovici huldigte in seiner „sehr politische[n] Rede“ (Kleine Zeitung Graz/Klagenfurt, 28.04.2023, S.  2) der „im Gastland-Motto ‚meaoiswiamia‘ enthaltene[n] Vielfalt als Kraft gegen alle nationale Begrenztheit“ (Kronen Zeitung, 28.04.2023, S. 38). Van der Bellen schlug hingegen launigere Töne an und teilte seine Betrachtungen zum Thema Dialekt vs. Hochsprache.

Erfreulicherweise reagierten Publikum und Expert:innen ähnlich euphorisch wie die Presse, so beschrieb beispielsweise Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse, den Gastland-Stand als „Knaller“ (Kronen Zeitung, 28.04.2023, S. 38). „Inhaltlich stark, aber mit Leichtigkeit und Lässigkeit“ (Kleine Zeitung Graz/Klagenfurt, 28.04.2023, S. 3) sei der Auftritt in Leipzig, urteilte Benedikt Föger, Präsident des Hauptverbands des Österreichischen Buchhandels. Tatsächlich stellten sich der Österreich-Stand sowie die insgesamt 265 Programmpunkte im Rahmen des Gastland-Auftritts als Publikumsmagneten heraus: Lange Schlangen und übervolle Veranstaltungen bezeugten das riesige Interesse an der österreichischen Literatur- und Kulturszene.

Und auch aus Sicht des Organisationsteam von meaoiswiamia wurden alle Erwartungen übertroffen (Pressemitteilung, 30.04.2023), anschließend erhoffe man sich nachhaltige Effekte, beispielsweise indem manche Initiativen nach der Messe fortgesetzt würden (Tiroler Tageszeitung, 22.04.2023, S. 16).