#Prosa

Zu Spät. Tiefland. Obsession

Werner Kofler

// Rezension von Helmut Sturm

Die vielen originellen Formulierungen, die für die Literatur Werner Koflers im Gebrauch und meist von ihm selbst entlehnt sind, treffen auch auf die zwei Texte dieses Bändchens des gut Sechzigjährigen zu. Die Texte des gebürtigen Kärntners seien „Irrsinnskunststücke“ und „Racheakte“, Kofler selbst „Meister der üblen Nachrede“, „Wirklichkeitszerstörer“ und seine Literatur „Verbrechensbekämpfung“.

Zu Spät ist voller Witz – das Wort kommt bekanntlich von Wissen. „Kennen sie den, wo der berühmte Chiarini auf die Uhr blickt und murmelt: ZU SPÄT, ZU SPÄT …?“ Falls nicht, nachzulesen in dem 1994 erschienenen Band „Wie ich Roberto Cazzola in Triest drei Ohrfeigen versetzte.“ Wie Arno Schmidt ist Werner Kofler ein Meister der Allusion, Schmidt-Dengler spricht von einer „hinterfotzige[n] Ausnutzung der Intertextualität“. Da wird angeschmidtst auf Artikel der „Brunnenzeitung“, die Produkte von Schriftstellerkollegen und -kolleginnen, Filme u. a. „Mißmutig wie ein Detektiv, dem das Rauchen verboten worden ist“, stochert der Ich-Erzähler im „Altschnee“, der sich auf seinem Schreibtisch nach längerer krankheitsbedingter Abwesenheit angesammelt hat. „Altschnee“ ist der schmutzige Rest des Winters, von dem letztlich nur ein dreckiger Fleck übrig bleiben wird. Er enthält Zeitungsartikel über Verbrechen, alte Photos aus der Kindheit, Gedichtanfänge … eben das, woraus sich Vergangenheiten zusammensetzen. Genauer: das, woraus wir mit mehr oder weniger Phantasie eine Lebensgeschichte konstruieren. „Mißmutig wie ein Kriminalschriftsteller, der im Entwerfen seiner Geschichte nicht weiterkommt.“

Thematisch geht es um typische Kofler-Themen: Die Zerstörung der Umwelt, die Kritik der Boulevardpresse werden deutlich gemacht, Exkurse in die Politik unternommen, „[…] beim Schweif des Kometen, beim Bart des Propheten, ich schweife ab, Sauerei hin, Saualm her“. Ja da gibt es auch Kalauer, schließlich gesteht der Erzähler „ich kann dem Halblustigen schwer widerstehen“.

Den Text voran treibt ein „aussichtsloses Unterfangen“, nämlich „gegen das Faktische Einspruch zu erheben“. Bekämpft wird vom Ich-Erzähler, dem alter ego des Schriftstellers, die „Errichtung einer WOHNANLAGE SAMT TIEFGARAGE“ im vertrauten Gelände seiner Kindheitslandschaft. Der tragisch vergebliche Kampf gegen das Faktische macht dabei aus dem harmlosen Raucher einen gefährlichen Kriminellen.

Der zweite Text Tiefland. Obsession. hat Leni Riefenstahls Film nach der Oper von Eugen d’Albert zum Thema. Das Bauern- und Zigeunermelodram wurde zwischen 1940 und 1944 gedreht und war der teuerste in Nazideutschland gedrehte Schwarzweißfilm. Bernhard Minetti hat mitgemacht, der spätere Karl May Verfilmer Harald Reinl war ebenso dabei wie Bernhard Grzimek. Leni Riefenstahl hat den Film, der erst 1954 zur Vorführung kam, als einen Beweis dafür eingebracht, dass sie sich während des Dritten Reiches in innerer Emigration befand.
Koflers historisch und literarisch sorgfältigst gearbeiteter Text ist eine Dekonstruktion dieser Geschichte. Er zeigt das Schicksal der zwangsverpflichteten inhaftierten und internierten Roma und Sinti. „Die Kleindarsteller in Ihrem Film, Frau Riefenstahl, Hut ab, Hut ab, Film ab – von Salzburg/Maxglan und Berlin/Marzahn über Auschwitz/Birkenau nach Stuttgart und Cannes – Was für ein Kunststück!“ – Was gäbe man dafür, wäre kritische (Film-)Geschichte so zu lesen wie dieser kostbare Text.

Werner Kofler Zu Spät. Tiefland. Obsession
Prosa.
Wien: Sonderzahl, 2010.
71 S.; brosch.
ISBN 978-3-85449.

Rezension vom 07.04.2011

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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