#Roman

Zu Grabe

Daniela Larcher

// Rezension von Emily Walton

Angesichts der aktuellen, spannungsgeladenen Situation an heimischen Universitäten (zu viele Studenten, zu wenig Studienplätze und zu wenige Professoren) ist es naheliegend, dass hier Konflikte, Neid und Missgunst das Kollegium prägen könnten. So gesehen ist die Hochschule eine viel zu selten gewählte Kulisse für ein Mordgeschehen.
Daniela Larcher, die 2008 mit Ihren Krimi „Die Zahl“ debütierte, hat in ihrem zweiten Buch nun die Uni als Schauplatz gewählt. Allerdings: Zum Mord an einem Archäologie-Professor kommt es nicht wegen der Zustände an den heimischen Hochschulen. Studenten kommen so gut wie gar nicht vor, im Zentrum steht die Professorenriege: Forscher und Wissenschaftler am Archäologie-Institut. (Und diese Studienrichtung zählt bekanntlich nicht zu den überlaufenen.)

Ein Archäologie-Professor, Vitus Novak, wird ermordet. Sein Kopf wird auf einer Büste im Innenhof der Universität Wien gefunden – von seinem Kollegen Leander Lorentz. Ausgerechnet dieser wird von der Polizei als Täter verdächtigt. Mehr als einmal hat es heftige Streitereien zwischen dem honorigen und dem jüngeren Kollegen gegeben.
Während die Kriminalbeamten der falschen Fährte nachgehen und Leander Lorentz einsperren, bekommt der Leser schnell mit, dass Lorentz der Gute, also ein Unschuldiger ist. Krimis, in denen zunächst der „Good Guy“ verdächtigt wird, haben folgenden Vorteil: Der Leser fiebert mit dem zu Unrecht Angeklagten mit, will des Rätsels wahre Lösung – vor allem aber Gerechtigkeit.
Auf der Seite des Guten steht Nina Capelli, Gerichtsmedizinerin und Lebensgefährtin des Verdächtigten. Diese wendet sich an Inspektor Otto Morell, eigentliche Hauptfigur des Krimis. (Alle drei Figuren sind aus „Die Zahl“ bekannt.) Morell ist ein rundlicher Kommissar, der in der Provinz arbeitet. Er folgt dem Hilferuf seiner Freunde und macht sich in das verhasste Wien auf. Der Zeitpunkt ist ein passender, zumal seine Geliebte ihn verlassen hat. Er kann Ablenkung brauchen.

Das Wien, dass Morell erlebt, ist ein graues, schmutziges, lautes und auch morbides. Daniela Larcher zeigt das düstere Wien – den Zentralfriedhof, die Leiche im Donaukanal. Es ist ein Wien, das für den Wiener nicht ganz authentisch daher kommt. Erschienen im Fischer Taschenbuch Verlag, hat dieses Buch jedoch eine größere (auch nichtösterreichische) Zielgruppe. Diese Krimileser werden hier eine Kulisse finden, wie man sie sich von einem „Wien-Krimi“ erwartet.
Soll nicht heißen, dass Larchers Krimi ein finsterer ist. Im Gegenteil. Die Geschichte ist flüssig, wenngleich die Dialoge nicht ganz ausgefeilt sind und es stellenweise zu viele Regieanweisungen gibt. Es wird zu viel beschrieben, zu wenig gezeigt.
Nicht immer steht der Mord, die Krimihandlung im Vordergrund. In vielen Passagen geht es eher um die Diäten des Kommissars, um Saufgelage im Professorenzimmer oder um die Sticheleien unter Wiener Beamten.
Die Figur des Otto Morell ist ein Sympathieträger. Larcher lässt ihren Provinz-Polizisten verdeckt ermitteln, sodass die Wiener Kollegen nichts mitbekommen. Das sorgt immer wieder auch für Komik. Die Autorin legt viele Fährten. Zeitweise fragt man sich sogar, ob nicht alles eine Farce ist und der gute Lorentz doch der Täter sein könnte.

In Summe ein passabler Krimi mit einem Protagonisten, der durchaus Potenzial für eine Krimi-Reihe hat.
Kleiner Kritikpunkt: Jedes Kapitel wird mit einem Zitat zu „Tod“ oder „Grab“ begonnen. Da die Kapitel nur wenige Seiten lang sind, können diese Zitate schnell zu viel werden. Ein wenig schade ist es auch, dass Larcher – hat sie doch das Uni-Setting gewählt – keinerlei Anspielung auf die aktuelle Hochschulpolitik macht. Die Möglichkeiten dieser Kulisse werden nicht ausgeschöpft, die Uni wirkt einfach nur verstaubt, veraltet, verbeamtet. Aber das tut dem Krimi an sich keinen Abbruch.

Daniela Larcher Zu Grabe
Kriminalroman.
Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch, 2011.
336 S.; brosch.
ISBN 978-3-596-18286-2.

Rezension vom 12.09.2011

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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