Als Nummer 38 der Reihe ist rechtzeitig zum 60. Geburtstag der Band zu Peter Handkes Wunschloses Unglück erschienen, dem bis heute meist gelesenen Buch des Autors. 400.000 Exemplare wurden allein als Suhrkamp Taschenbuch verkauft. Das Sujet von der Lebensgeschichte der Mutter bis zu ihrem Selbstmord, ließ so großes Leserinteresse erwarten, dass schon die Startauflage der Erstausgabe im Residenz Verlag 1972 unglaubliche 30.000 betrug.
Mit der Skizzierung dieser Erfolgsgeschichte setzt der Interpretationsteil des Bandes ein. Auf 36 engbedruckten Seiten stellt der Salzburger Germanist Hans Höller, vor allem bekannt als ebenso sorgfältiger wie sensibler Interpret von Ingeborg Bachmann und Thomas Bernhard, alles Wissenswerte über Peter Handkes Longseller und seine Rezeption zusammen. In der Einlässigkeit dieses Interpretationsteils, der, fokussiert durch die Persönlichkeit des Verfassers, sowohl bisherige Forschungsergebnisse resümiert wie neue Aspekte belichtet, liegt der zentrale Unterschied zu „Reclams Erläuterungen“, die Entstehungsgeschichte, Vorbilder und vor allem die Rezeptionszeugnisse jeweils mit ausgewählten Textauszügen aus zentralen Forschungsarbeiten zugänglich machen. Beide Konzepte haben wohl je eigene Vorzüge.
In jedem Fall liegt mit Hans Höllers Arbeit nun eine äußerst dichte Darstellung zum „Wunschlosen Unglück“ vor. Die Entstehungsgeschichte umfasst keineswegs nur die autobiografischen Aspekte, sondern situiert Handkes erzählerische Arbeit am Buch im Kontext seiner damaligen literaturtheoretischen Überlegungen, wie sie sich etwa in seinen Rundfunkessais – unter anderem zu Konrad Bayer – für Radio Graz manifestierten. Hans Höller akzentuiert nicht nur, wie sehr Handke in der Geschichte der Mutter seine eigene Geschichte geschrieben hat – was der Autor selbst erst 1987 in einem Interview betonte – sondern auch, dass diese Hommage an die Mutter zugleich ein Buch über die notwendige Abgrenzung von ihr ist.
Ein Überblick über die zeitgenössische Aufnahme des Romans – etwa durch Michael Scharang – fehlt ebenso wenig wie genaue Analysen über die Kompositionsweise des Romans und Handkes sorgfältige Verwendung von Motivfeldern (Haus, Lernen). Sie werden in späteren Werken ebenso weitergeschrieben wie die Signalwörter des Romantitels („Als das Wünschen noch geholfen hat“ 1974, „Versuch über den geglückten Tag“ 1990), und das Mutter-Sohn-Verhältnis („Falsche Bewegung“ 1975, „Die linkshändige Frau“ 1976, „Die Wiederholung“ 1986).
Zur schnellen Orientierung im Text – die das sehr platzsparende Druckbild leider nicht erleichtert – sind an den äußeren Seitenrändern schlagwortartige Hinweise auf den Inhalt dienlich. Umrahmt ist die Interpretation von einer ausführlichen Zeittafel zum Leben des Autors und einer Bibliografie zu Wunschloses Unglück. Den Abschluss bildet der ausführliche Stellenkommentar in der Tradtiion der Reclam-Erläuterungsbände. Die Wort- und Sacherläuterungen bringen vor allem den zeithistorischen Hintergrund zur österreichischen wie Kärntner Geschichte ein und erklären im Text erwähnte Film- und Fernsehsendungen oder Musiktitel; bei einigen Stellen werden auch Interpretationsvorschläge aus der Sekundärliteratur angeführt.