Bei Hermagoras/Mohorjeva, die bereits das bildnerische Werk angemessen dokumentiert hat, ist das lyrische Gesamtwerk in zwei Bänden erschienen. Der Übersetzer Fabjan Hafner hat es gesammelt. Im ersten slowenischen Band liest man Januš‘ Gedichte aus den Jahren zwischen 1962 und 2009 im Original.
Der zweite Band versammelt alle Gedichte, die Peter Handke ins Deutsche übersetzt hat. Erschienen sind die Übersetzungen, mit Ausnahme von zwölf Gedichten, die für diese Ausgabe ins Deutsche übertragen wurden, in vier Lyrikbänden. Statt eines Nachworts ist Handkes Rede „Einwenden und Hochhalten“, die er auf den Dichter im Jahr 1984 anlässlich der Verleihung des Petrarca-Preises gehalten hat, abgedruckt.
Ein Vortrag über einen Kärntner slowenischen Dichter, der im Wesentlichen noch heute gilt, und ein paar Zitate enthält, die immer wieder herbeigerufen werden: „Ja, das Schöne sieht man schlecht; aber Gustav Januš ist ihm in all seinen Gedichten auf der Spur. Es gibt kein Gedicht von ihm, das etwas behauptet oder meint. Seine Poeme sind, so könnte man sagen … und das ist es auch, was das Poetische an ihnen ausmacht –, das reine Hin und Her. (Gustav Januš hat im übrigen, soviel ich weiß, noch nie eine einzige Prosazeile geschrieben.)
Das reine Hin und Her: Die Schwebe, der Widerstreit, das Dialektische (Verzeihung für dieses Wort.) Insofern beschreiben seine Gedichte nicht nur Augenblicke, so wie es die japanischen haikus tun (mit denen Januš‘ Sprache trotzdem viel gemein hat), sondern ganze Tagesläufe: Das Hin und Her der langen Reise in die Nacht, und zur Nacht hinaus. Und indem jedes Gedicht ein Tageslauf ist, zeigen alle zusammen einen Lebenslauf; nein … nicht nur einen, sondern viele Lebensläufe, oder einfach nur seinen, meinen und deinen.“ (Wort, verwandelt in Farben, S. 259 f.) Und, um beim syntaxsicheren Handke zu bleiben, damit ist über diesen exemplarischen Kärntner slowenischen Lyriker der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts bereits viel gesagt.
Gustav Januš hat seine künstlerische Entwicklung in einem Interview einmal selbst anders und wohl authentisch, jedenfalls interessant, zusammengefasst: „Zuerst habe ich in einer Art Alltagssprache und eher sozialkritische Lyrik geschrieben. Jacques Prévert war mein Vorbild. Das hat bis 1981 gedauert. Weil bei jeder Lesung die Menschen gelacht und geklatscht haben, ist es mit der Zeit schwierig geworden, und ich habe das dann ändern und erweitern wollen. Und seither schreibe ich eigentlich die Lyrik, die ich heute schreibe: ein Hin und Her zwischen einer Alltagssituation und einer abstrakten, unbekannten Situation.“ (Die andere Seite. Hrsg. v. A. Zauner und E. Köstler. Haymon Verlag, Innsbruck 1996, S. 154.)
Mögen diese beiden Zitate Gustav Januš grundsätzlich richtig zeichnen, so geht durch sein Werk, um wieder an Handke angelehnt zu apostrophieren, dennoch ein unverkennbarer Ruck, der sein Schaffen verändert hat. Im Jahr 1983 ist im Suhrkamp Verlag der Band „Gedichte 1962 – 1983“ in Peter Handkes Übersetzung erschienen. Das slowenische Original ist, wie heute, bei Hermagoras/Mohorjeva herausgekommen. Vereinfacht könnte man eine Vor- und eine Nach-Suhrkamp-Phase des Lyrikers konstatieren, womit man wohl nicht ganz falsch liegt. Ab diesem Zeitpunkt schreibt und liest sich Januš gleichsam verändert, fast grunderneuert. War er zunächst ein traditioneller Kärntner slowenischer Lyriker mit einem Quantum Sozialkritik, so ist er nun ein Dichter, der Poeme entwickelt, die auf eine gewisse Intellektualität aus sind, die sich durch Nachdenklichkeit äußert.
Den Lyriker macht jedoch eines unverkennbar, nämlich sein – mit keinem anderen zeitgenössischen slowenischen Dichter vergleichbarer – Tonfall, mit dem er die engere Welt, auf die er sich literarisch kapriziert und die sich im Umfeld seiner Person findet, in Sprache … und Farbe … verwandelt. Und dann bleibt ihm noch immer die glückliche Möglichkeit, die Welt nur in Farbe zu verwandeln.