#Roman

Wolfgang Amadeus junior: Mozart Sohn sein

Ludwig Laher

// Rezension von Helmuth Schönauer

Nach dem Erscheinen des zweiten Teils der Triologie über unbekannte Künstler des frühen 19. Jahrhunderts ist man als zustimmender Leser geneigt, Ludwig Lahers Texte zu einen eigenen Genre zu erklären. Ludwig Laher beschäftigt sich nämlich mit dem Schicksal von Second-Hand-Genies.

Im Mittelpunkt des ersten Romans „Selbstakt vor der Staffelei“ steht der fast völlig vergessene Maler Janssen, der seinen Höhepunkt im Transferieren von Papstporträts zu Papst-Ikonen erlebt.
Im soeben erschienenen Roman Wolfgang Amadeus Junior: Mozart Sohn sein geht es um das verrückte Schicksal, namensgleicher Sohn eines genial vermarkteten Genies sein zu müssen. Laher erzählt das Schicksal des Mozart-Sohnes mit zurückhaltendem, aber stets mit dem Helden sympathisierenden Ton. Viele Informationen werden in den Erzählstrang geschmuggelt, sodaß sich der Leser nicht blamiert fühlen muß, wenn er die wahren Zusammenhänge erst durch den behutsam moderierenden Erzähler erfährt. So hat ein Teil Polens etwa zur Zeit, als Mozart in Lemberg lebte, Kongreßpolen geheißen, später hat man Mozarts Sohn beiläufig auch den Polen-Mozart genannt.

Was soll ein Mozart sonst tun, außer komponieren? Mit Seufzen berichtet der Autor vom Stellenwert der Musik des Juniors im Universum der allgemeinen Musikgeschichte, die sorgsame Noten-Pflege der Japaner wird erwähnt und das verstockte Kirchenherz in Salzburg. Die benützten Quellen werden immer mitreferiert, alle Vermutungen und Kompositionen zur Biographie sorgfältig mit der Gegenwart verknüpft.

In diesen biographischen Erzählstrom sind fünf Zwischenspiele installiert, die markante Vater-Sohn-Beziehungen der Weltliteratur zur Sprache bringen. Selbstverständlich darf die Beinahe-Opferung von Abrahams Sohn nicht fehlen, mit der gleichen dramatischen Verve wird auch die Opferung des debilen Habsburger-Franz nach der gescheiterten Revolution inszeniert, und in durchaus ironischer Sicht geht es um die ewigen Pannen beim Benennen des Nachwuchses, wenn dieser in Geschlecht oder Geburtstermin nicht den Erwartungen der Produzenten entspricht.

Der jeweilige Einsatz der Biographie nach einem Zwischenspiel geschieht immer mit einer harten Nadel: Monumentale Statements zur Kunst zeigen dem Junior-Mozart seine Erbärmlichkeit und dem Leser die Grenzen des oft gehandelten Genie-Begriffs.
„Der Begriff des Kunstwerks impliziert den des Gelingens. Mißlungene Kunstwerke sind keine, Approximationswerte der Kunst fremd, das Mittlere ist schon das Schlechte. […] Theodor W. Adorno“ (S. 147)
Dieses Wechselspiel zwischen gigantischem Anspruch und unendlicher Mühsal in der Alltagspraxis macht aus dem Junior-Mozart eine Art Second-Hand-Genie, es ist günstig, liegt auf dem Weg und ermuntert durchaus, ein Leben in der zweiten Liga zu bestreiten.

Ludwig Lahers Mozart-Junior-Buch ist eine Freude für Musikliebhaber und Fans von guten Biographien, es ist aber darüber hinaus eine wunderbare Hommage an die „Künstler im Verschollenen“. Je nach Mentalität läßt sich aus dem Erzählwerk generelle Genugtuung oder Ermunterung für den Selbstaufruhr herauslesen.

Ludwig Laher Wolfgang Amadeus Junior: Mozart Sohn sein
Roman.
Innsbruck: Haymon, 1999.
175 S.; geb.
ISBN 3-85218-304-9.

Rezension vom 03.11.1999

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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