#Prosa
#Debüt

wohin die verschwunden ist, um die es ohnehin nicht geht

Stefan Schmitzer

// Rezension von Peter Landerl

Stefan Schmitzer hat für sein freches Prosadebüt einen schönen langen, sehr schnoddrigen Titel gefunden: wohin die verschwunden ist, um die es ohnehin nicht geht. Schnoddrig erzählt er uns auch seine Geschichte: Zwei Männer treffen auf eine junge Frau, schlagen auf die Bitte der Unbekannten einen sie Verfolgenden zusammen. Der Preis ist das Mädchen. „alle drei gesichter hochkonzentriert. bei null sind sie fast in der mitte des platzes, gut von überall zu sehen. in den augen des mannes mit der jeansjacke ist panik. er beginnt zu schreien. worte. die beiden, die ihn halten, hören nicht zu. der künstler lässt los. der schafhirt noch nicht. die nun freie hand des mannes schnappt nach dem schafhirten, hält seine kehle, presst. beide männer fallen um, der in der jeansjacke obenauf. der künstler holt aus und tritt dem, den er eben losgelassen hat, in den bauch. der krümmt sich, hustet, sein gesicht quillt auf.“ So die Vorgeschichte.

Gute fünfzehn Jahre später hat der Künstler seine Kunst aufgegeben, arbeitet in einer Galerie, unterrichtet an einer Schule, vegetiert so vor sich dahin. Durch Zufall lernt er in einem Wettcafé einen seiner Schüler, Sam, näher kennen. Die beiden machen sich gemeinsam auf die Suche nach der, um die es ohnehin nicht geht. Sie nämlich, die ehemalige Geliebte des Künstlers und Mutter von Sam, ist, als er drei war, verschwunden. Der Künstler denkt, Sam könnte sein Sohn sein. Das ungleiche Paar kommt sich näher, doch Happy-End gibt’s keins: „danach gewalt. dass damit das letzte bisschen story auseinanderbricht, das sich irgendwem hätte erzählen lassen.“

Schmitzers Stil erinnert an Peter Kurzeck und Marlene Streeruwitz. Die aber hätte sicher keine Freude mit dem Buch, zu männerfixiert ist die Erzählung (Wann endlich hören die Verlage auf, all ihre Bücher als Romane zu verkaufen?). Die häufige Verwendung von Ellipsen und Stummelsätzen will erst gar nicht den Eindruck erwecken, hier ginge es um schöne, hohe Kunst. Neben der (pseudo)progressiven Kleinschreibung markiert auch die Machart des Buches einen Bruch mit Altbewährtem: Das Buch erzählt nämlich die Geschichte derer, um die es ohnehin nicht geht, aus zwei Perspektiven. Hat man die längere, in dicken Buchstaben gedruckte Geschichte gelesen, drehe man das Buch um 180 Grad und beginne die in zarten Lettern gedruckte zweite Version zu lesen. Dem optischen Clou entspricht jedoch kein erzähltechnischer: Die zweite Perspektive erhellt kaum und ist daher ein lästiges Anhängsel.

wohin die verschwunden ist, um die es ohnehin nicht geht ist bewusst angriffig konzipiert, Schmitzer wirft dem Leser seine desillusionierende Geschichte in jugendlicher Unverfrorenheit einfach vor die Füße. Der bückt sich oder tut es eben nicht. Sein Buch eckt an, weil es Kanten hat und nicht auf Markttauglichkeit geschliffen wurde. Das ist heutzutage durchaus ein Wert an sich. Das Buch hat speed und drive eines Rocksongs. Und hinter all dem Plakativen, dem ungestümen, doch auch sympathischen Hohruck und Haudrauf zeigt sich eine Sprachfähigkeit, verstecken sich Wendungen und Formulierungen, die das Talent des Autors offenbaren.

Stefan Schmitzer wohin die verschwunden ist, um die es ohnehin nicht geht
Roman.
Graz: Droschl, 2009.
148 S.; geb.
ISBN 978-3-85420-754-2.

Rezension vom 03.03.2009

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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