#Prosa

Wie ich ein "Gospod" wurde / Kako sem postal gospod

Janko Messner

// Rezension von Walter Wagner

Ich bin ein Ignorant. Ich verfasse Rezensionen: Man sehe mir diesen Makel nach. Am 20. Februar 2002 wurde Janko Messner das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse vom Bundespräsidenten verliehen. Dieses für die slowenische Volksgruppe und den ihr angehörenden Schriftsteller bedeutsame Ereignis ist meiner Aufmerksamkeit entgangen.

Über Messner habe ich bis dato nur so viel erfahren, dass nicht er sämtliche vierzehn Achttausender bestiegen hat. Über die Geschichte der Slowenen in Österreich bin ich imstande, vage Angaben zu machen. Zu meiner Ehrenrettung darf ich indessen hinzufügen, dass ich seit Jahren Kroatisch lerne. Ein zweisprachiger Sonderdruck einer Erzählung aus den „Schwarzweißen Geschichten“, der anlässlich des oben erwähnten Begebnisses entstanden ist, gibt mir die Gelegenheit, einen dilettantischen Übersetzungsvergleich anzustellen. Vergeblich suche ich den slowenischen Prolog im Deutschen. Ebenso unauffindbar ist der vorletzte Absatz auf Seite 12. Sehr frei scheint auch die Übertragung des Postskriptums. Derlei Differenzen machen den Leser stutzig.
In der deutschsprachigen Version findet man sich hingegen rasch zurecht. An einem Sonntagmorgen im Mai 1976 läuft der Icherzähler, der unschwer als der Verfasser nämlicher Geschichte zu erkennen ist, aus dem Haus, um einen Dauerlauf zu absolvieren. Unterwegs verspürt er jäh das Bedürfnis, seine Notdurft zu verrichten. Zum Glück verfügt der nahe Viktringer Bahnhof über eine öffentliche Toiletteanlage. Als er den Abort verlässt, bemerkt er unter der Aufschrift MÄNNER in kleineren, fast verblassten Lettern zwei weitere Wörter: am oberen Rand HERREN, darunter GOSPODJE. Über dem Eingang nebenan prangt ebenfalls über dem Hinweis FRAUEN bzw. GOSPE ein großspuriges FRAUEN. O wundersame Dreieinigkeit!

Handelt es sich um eine Übermalung von Arnulf Rainer? Ein Frühwerk des Wiener Aktionisten? Nein, des Autors Auge freut sich „über zweisprachige Aborttafeln des seligen kaiserlich-königlichen Österreich“. Eine Kärntner Schlampigkeit, könnte man schließen. Eine Nachlässigkeit der Sprachregler und Ortstafelkonfliktbereiniger.
Weil wes Herz voll ist, auch des Mund übergeht, vertraut der Protagonist seine Entdeckung der Zeitschrift mladje an, die das diskrete Zeugnis deutsch-slowenischer Bruderschaft in Kärnten publik macht. Nun treffen Neugierige und Ungläubige ein, um das kuriose Vermächtnis in Augenschein zu nehmen. Die Schilder sind verschwunden, jemand muss sie entfernt haben. Wo kurzfristig ein Loch in der Wand gähnt, ziert bald ein einfaches HERREN und DAMEN das WC auf dem Viktringer Bahnhofsgelände. Enttäuscht zieht der Autor die Konsequenzen und schließt augenzwinkernd: „Seitdem schlage ich mein Wasser nur noch im WC meiner Wohnung ab. Gott erbarme sich unsereins.“

Janko Messner, einer jener „glücklosen letzten Mohikaner“, beherrscht die Kunst der Satire, mit der er gegen das Unabwendbare auftritt. Seine launigen Beobachtungen und Kommentare übertünchen den Ernst seiner Geschichte nur mangelhaft. Die Tafeln auf der Bahnhofstoilette treten als tragikomische Chiffre für das Schicksal einer Kultur auf, die im Palimpsest des unaufhaltsam Neuen unterzugehen droht.
Man möge mich des Defätismus zeihen und beruhigend darauf verweisen, dass die slowenische Minderheit in Kärnten blüht und gedeiht. Gern lasse ich mich eines Besseren belehren und die junge Schriftstellergeneration, die Nachfolger Messners, hoch leben. Wo aber liest, spricht und schreibt man dieses slawische Idiom, das in den Volkszählungen eigensinnig seinen Platz behauptet?

„Wie ich ein ‚Gospod‘ wurde“ legt auf unpolemische Weise Zeugnis von der Schwierigkeit des Andersseins ab. Es lädt ein, über die bedrückende Enge historischer Altlasten und nationaler Urängste einen Blick über den inneren Zaun zu werfen: Kako sem postal gospod. Kako sam postao gospod. Vielfalt ist Reichtum. Daran gemahnt uns dieses erfrischende Lehrstück von Janko Messner.

Janko Messner Wie ich ein „Gospod“ wurde / Kako sem postal gospod
Klagenfurt / Celovec: Drava, 2002.
31 S.; brosch.
ISBN 3-85435-385-5.

Rezension vom 07.08.2002

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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