#Prosa

Was wissen die Katzen von Pantelleria

Maria E. Brunner

// Rezension von Antonella Cerullo

Mit ihrer zuletzt erschienenen deutschen Übersetzung von Vincenzo Consolos „Retablo“ hat sich Maria E. Brunner auf die mutige Herausforderung eingelassen, sich mit einem der sprachlich komplexeren Autoren der italienischen Gegenwartsliteratur zu befassen, und dabei ihre sprachliche Virtuosität eingehend zu demonstrieren. Auch in Was wissen die Katze von Pantelleria geht Maria E. Brunner mit der Sprache sehr präzis um und schafft es, mit wenigen Sätzen viel zu erzählen. Was wissen die Katzen von Pantelleria ist eine Sammlung von Prosatexten, die die LeserInnen durch vier Landschaften führen.

Vielmehr als die Beschreibung der Landschaften gibt die Autorin die Details einer Wirklichkeit wieder, die sie mit der Sprache festhält – man gewinnt den Eindruck, beim lesen ein Fotoalbum zu durchblättern. Maria E. Brunner nützt die Kraft der Sätze aus, sie reiht sie nacheinander:
„Die ersten Fremden waren fremde Frauen. Sie durften keinen eigenen Boden haben. Sie waren selten auf Reisen, nie zurück unterwegs. Immer nur in ein von vornherein verfluchtes Land.“
Oder sie isoliert sie im Text, um ihre Aussage hervorzuheben, so kann man etwa in „Bozen/Bolzano“ mitten im Text lesen:
„Ein paradoxes Gemisch in einem Land“.

Die Reise fängt am Balkan – Landschaften I – an, dann führt sie den Leser in die Landschaften II, eine Strecke über Caserta durch Kalabrien nach Sizilien, die den längsten und zentralen Teil des Buches konstituiert. Dann kehrt die Erzählung nach Norden zurück – Landschaften III -, um in Deutschland – Landschaften IV– zu enden. Maria E. Brunners Text ist eine besondere Reiseprosa, die den Augenblick erfasst und Eindrücke des Lebens sowie Stimmungen vermittelt.
Die Autorin nimmt Orte und Städte durch Menschen und Momente des Lebens auf, die einen Blick auf das Land und die Geschichte werfen. „Was wissen die Katzen von Pantelleria“ ist eine Reise durch die Zeit, die Orte, ihre Mythen und ihre Schrecken, die die besondere Identität der jeweiligen Landschaften ausmachen: „Überall nachgebautes Amerika, und an der Zufahrtsstraße plötzlich die sandfarbenen Säulen der griechischen Tempel vor dem blauen Horizont“ […] „Zuerst soll ihr Falke aus der Nische des Nebenzimmers verschwunden sein, und noch heute, so behaupten zumindest die Leute, trägt das nahe gelegene Zweihundertseelendorf ihren Namen, den sie später dem Schloss gegeben hat: Donnafugata.“

Zentral scheint die Auseinandersetzung mit der Geschichte zu sein, die die Autorin besonders anhand der persönlichen Geschichte der EinwohnerInnen in allen Landschaften angeht. In Landschaften IV etwa berichtet sie von Träumen und Wünschen, die gleichzeitig das Schicksal der Menschen und ihre persönliche Geschichte im Zusammenhang mit der allgemeinen Geschichte vermitteln: „Izabella hat eine breite Narbe. Sie bedeckt fast den ganzen Brustkorb. Der Topf mit kochender Milch war vom Herd gekippt.“
„Wenn Sommer ist, gehen Mama und ich nach Kanada. Damian kommt auch. Nur nicht Papa. Der muss zurück bei Polen.“ (S. 111)

In Landschaften III erfährt man vom Konzentrationslager in Fossoli bei Carpi und wenn die Autorin Sizilien bereist, erzählt sie vom Zusammenleben mit der Mafia. Die Gemeinsamkeit zwischen Sprachen und das Gefühl der Fremdheit ist auch eine Thematik, die für die Autorin aus Südtirol einen besonderen Stellenwert hat, darauf geht sie besonders in Landschaften III ein:
„Das Fremde und das Idiom der anderen, eine Art musikalische Übung. Da wird jeder Verlegene dann doch auf einmal redselig sich dabei nicht dessen bewusst, was er sagt.“

Was wissen die Katzen von Pantelleria ist eine Sammlung von Prosatexten unterschiedlicher Länge, die die Facetten einer Wirklichkeit zeigen, die oft vielmehr spürbar als beschreibbar ist. Die Autorin wirft darauf einen poetischen Blick und spricht aus, was man sonst mit Worten kaum fassen kann.

Maria E. Brunner Was wissen die Katzen von Pantelleria
Prosa.
Wien, Bozen: Folio, 2006.
121 S.; geb.
ISBN 3-85256-330-5.

Rezension vom 26.07.2006

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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