Schnell wird klar, dass Steller ein komischer Kauz ist, der nur selten ein Wort zu viel verliert. Sowohl in der Kommunikation mit seinem Lehrmädchen Marion als auch im Gespräch mit dem Besitzer des gegenüberliegenden Frisörsalons gibt er sich wortkarg. Und dies, obwohl diese beiden dem seltsamen 56-Jährigen durchaus wohl gesinnt sind. Einzig und allein die Leiterin von Selbstfindungsseminaren, Christa Krön, bringt ihn zum Sprechen.
Ihr erzählt Steller intime Dinge über sich, von seinen Träumen und von der Arbeit am eigenen Roman. „Ich bin weitgehend der Text, den ich aufschreibe“, sagt Steller. Fiktion und Realität greifen somit ineinander, Steller wird durch den Text zu dem von ihm erschaffenen Pascal Seibold und umgekehrt. „Man kann nie ganz absehen von einem selbst, wenn man schreibt“, sagt Steller. „Ich habe große Teile meines Ichs ausgelagert. Wenn ich mich jetzt mit Seibold beschäftige, muss ich nicht mehr in mich gehen, kann schon mal außer mir sein.“ Geprägt sind Steller und Seibold damit beide von einem Leben, das nicht viele Freuden für sie bereit hält und in deren Vergangenheit sich besonders unglückliche Liebesbeziehungen hervorzutun scheinen.
Auch wenn Stellers Gedanken in der Gegenwart ab und zu um die Person der Christa Krön kreisen, gehört sein Herz doch der Literatur.
Auf lose Blätter und in seine Notizbücher schreibt er Zitate, Sätze und Absätze fremder Autoren ab, setzt sie in Bezug zum eigenen Leben und dem seiner Romanfigur. Was daraus entsteht ist ein breiter Fluss an Gedanken und Überlegungen, durch den man bei der Lektüre zu treiben scheint.
Und man muss sich wohl oder übel treiben lassen, denn „Von allem Ende an“ bietet dem Leser keinen Anfang, keinen Anhaltspunkt, von dem aus er die Erzählung mitverfolgen könnte. Stattdessen fragt sich der Leser wahrscheinlich des Öfteren, wer wohl was zu welcher Zeit gesagt hat – Steller, Seibald, oder doch Thomas Bernhard, Djuna Barnes oder Gustave Flaubert? –, und bemüht sich gleichzeitig darum, in diesem Durcheinander von Worten eine Ordnung ausfindig zu machen.
Einzelnen Sätzen gelingt es dennoch, sich dem Leser einzuprägen – sei es, weil sie wie Kalendersprüche klingen, oder sich doch wie die reinste Poesie anhören.
Doch die Komplexität des Romans lässt dem Leser nur wenig Platz für eigene Gedanken, für ein Aufatmen und Verstehen, sondern reißt ihn mit, hinein in das Denken und die Wahrnehmung des Engelbert Steller.
Viel ist es dabei nicht, was man über Engelbert Steller erfährt. Von Interesse wäre zum Beispiel, wie sich seine Beziehung zu Christa Krön weiter entwickelt. Vielleicht könnte man sich mit dieser Frage an den Autor wenden. Der muss nämlich laut Steller „immer mehr wissen als die Leser. Ja sogar mehr, als man schreibt.“ Doch ist das denn wirklich von Bedeutung? Und ist wirklich „in den meisten Fällen interessanter, was nicht gesagt wird“?
So beginnt das eigentlich Lesevergnügen wahrscheinlich erst am Ende, als Stellers Turm mit all seinen Büchern einstürzt, der Gedankenstrom des Protagonisten abreißt und der Leser endlich seiner eigenen Fantasie Lauf lassen kann.