Wenn ein Universitätsprofessor seinen 60. Geburtstag feiert, so ehren ihn seine Kollegen meist mit einer Festschrift. Was aber, wenn der Jubilar zugleich ein bekannter Satiriker ist und sich noch dazu über Festschriften und dergleichen Ehrbezeugungen lustig macht? Egyd Gstättner, Schriftsteller in Klagenfurt, hat bei der Würdigung Alois Brandstetters versucht, aus diesem Dilemma einen Ausweg zu finden. Er hat sowohl Schriftsteller als auch Wissenschaftler dazu eingeladen, einfach „möglichst ‚Interessantes'“ (S. 6) vom „Manne aus Pichl“ zu berichten. Dementsprechend bunt ist das Angebot an „Wortmeldungen“ in diesem Band.
Die wissenschaftlichen Beiträge sind dabei eindeutig in der Minderzahl. Wendelin Schmidt-Dengler analysiert die Funktion und den Wandel der Satire bei Alois Brandstetter: „Sie [die Satire] entzieht sich der Festlegbarkeit, das Ziel ihrer Attacke ist auch nicht mehr mit der sonst so gewünschten Eindeutigkeit bestimmbar. Die Virtuosität der frühen Prosa Brandstetters liegt gerade darin, daß er die durch diese Ambiguität neu eröffneten Möglichkeiten produktiv zu nutzen versteht […].“ (S. 37f.) Als Satiriker wird Brandstetter in dem Band mehrmals mit einem Schriftstellerkollegen verglichen, für den er selbst immer Interesse gezeigt hat: Thomas Bernhard. Der Autor über seinen Ohlsdorfer Kollegen: „Ich bin ihm eher ausgewichen. Angst ist dabeigewesen. Jetzt, wo er tot ist, war ich schon zweimal in seinem Haus, früher wäre ich nie hingegangen. Humoristen mag er nicht, denn ein Humorist ist er eh selber, hat er einmal zu mir gesagt.“ (S. 140f.) Alois Brandstetter, der „katholische Misanthrop“ (Egyd Gstättner, S. 6), als Gegenpart zum „konservativen Anarchisten“ Bernhard.
Ansonsten bietet die Würdigung des 60-Jährigen hauptsächlich Anekdotisches. Man erfährt von Josef Winkler, wie der „Professor“ ihm „eine Zeitlang täglich geholfen [hat], auf die eigenen Schultern zu steigen“ (S. 68). Neidische Beobachter sprachen vom „Krampus und vom Nikolaus, Himmel und Hölle gingen nebeneinander“ (S. 68f.).
Brandstetter förderte junge Literaten, auch wenn er ihr Werk (wie etwa dasjenige Winklers oder Egyd Gstättners) meist „ein bisserl zu blasphemisch“ (S. 142) fand. Für seine Offenheit und seine aktive Unterstützung sind ihm seine ehemaligen „Schüler“ heute noch dankbar.
Wie denkt Brandstetter über Brandstetter? Er zählt sich zu den „Konservativen, denjenigen, die festhalten“ (S. 146). Als Junger hat er für die 68er-Generation wenig Interesse gezeigt. „Meistens habe ich nur zugeschaut, auch bei den Protesten.“ (S.135) Literarisch ordnet er sich irgendwo zwischen Rosegger und Karl Kraus ein. Er will bewahren, denn er ist überzeugt, daß man „die Substanz doch noch [braucht], im unbeschädigten Zustand“ (S. 142). Und sein Lieblingsschriftsteller? „Am besten finde ich meine eigenen Bücher. Ich bewundere an mir vor allem die nur mir eigene Mischung von Verstand und Gefühl, Rationalität und Sinnlichkeit. […] Ich schätze an mir, daß mir Eigenwerbung und Selbstbespiegelung fremd sind. Ich liebe mich, weil ich, anders als viele andere, kein Narziß bin. Letztlich bin ich trotz meines Erfolges ein Mensch wie du und ich geblieben.“ (S. 31f.)