#Prosa

Vom Kriege

Sven Daubenmerkl

// Rezension von Peter Landerl

Darf man sich über den Krieg lustig machen? Man darf nicht, man muss, meint Sven Daubenmerkl im Nachwort zu seiner neuen Novelle Vom Kriege, die (wie sein letzter Roman Forscher Geist) im Wiener Mandelbaum Verlag erschienen ist.

Gegenwart der Rahmenhandlung: Wien im Jahre 1848. Vierundzwanzig stramme Burschen der juridischen Fakultät verirren sich am Abend vor dem ersten großen Kampf in ein Lokal in die Wiener Innenstadt. Man trinkt sich Mut an, prostet auf „Einigkeit!“, „Recht!“ und „Freiheit!“. Da bemerkt einer im Eck hinten einen alten Mann, der sich im Wirtshaus sein Gnadenbrot verdient, indem er den Ofen am Brennen hält: Wie ich heiße, mag euch nicht kümmern, so wie es morgen niemanden kümmert, wie ihr geheißen habt. Und was ich zu berichten habe, wird euch nicht gefallen. Aber wenn ihr mir zu trinken gebt, will ich euch in eurer letzten Nacht gern unterhalten.

Eine klassische Erzählsituation ist eröffnet, der alte Mann erzählt vom Kriege, den er – eher zufällig – als junger Mann erlebt hat. August 1796, Kemnath in der Oberpfalz im Norden Bayerns. Ein kleines Städtchen in der Provinz, vom Weltgeschehen abgeschnitten. Als ein berittener Bote aus der Nachbarstadt kommend verkündet, dass französische Truppen ins Land eingefallen waren und in der Gegend wüteten, erregte das die Stadt so, dass man sich entschloss, sich dem Feind entgegenzustellen. Nun verhält es sich so in der Welt, dass jene, die am lautesten schreien, auch am ehesten gehört werden. Wer zur Mäßigung mahnte, bekam Geschrei zur Antwort. Und selbst in besonneneren Kreisen war man schnell übereingekommen, dass sich die Frage nach Krieg oder Frieden gar nicht mehr stelle, nun, da der Feind im Lande sei.
Man rüstet zum Kampf, lässt eine Messe lesen und macht sich auf den Weg in die Nachbarstadt Kastl, wo man tatsächlich auf Franzosen trifft. Durch allerhand Missverständnisse entlädt sich der Zorn der Kemnather an den überraschten Franzosen. Es kommt tatsächlich zum Kampf. Wie er ausgeht, wird an dieser Stelle nicht verraten.

Daubenmerkl hat eine klassische Novelle geschrieben, hat sich in seiner Sprache der Diktion früherer Jahrhunderte gefühlvoll genähert. Die „unerhörte Begebenheit“, von der erzählt, war gewiss keine kriegsentscheidende Schlacht, keine, die in die Geschichte eingegangen ist, sondern ein kleines blutiges Gemetzel, wie es viele tausend andere auch gibt, in jedem Krieg. „Nebenschauplätze“, aber deshalb nicht weniger brutal, nicht weniger blutig. Daubenmerkl malt keine schrecklichen Opferbilder, sondern setzt auf die unfreiwillige Komik der Schlacht. Sicher gewagt, aber er gewinnt.

Der Titel der Novelle spielt natürlich auf das berühmte Buch Vom Kriege des preußischen Generals Carl von Clausewitz an, in dem er das Wesen des Krieges beschreibt als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Daubenmerkl hat Zitate von Clausewitz in seinen Text eingebaut, teils verfremdet. Damit bettet er die exemplarische Schlacht der Kemnather in einen größeren philosophischen Zusammenhang ein.
Vom Kriege ist eine kleine, feine, unterhaltsame Novelle. Ein großer Wurf, der viele Leser verdient, weil er der Fratze des Krieges frech grinsend die Zunge zeigt.

Sven Daubenmerkl Vom Kriege
Novelle.
Wien: Mandelbaum, 2002.
96 S.; geb.
ISBN 3854760701.

Rezension vom 03.12.2002

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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