#Prosa

Verhunzungen & Warnungen

Helmuth Schönauer

// Rezension von Friedrich Hahn

Über Fußkes, Unterobers und einen Stadtschreiber namens Zweier

Helmuth Schönauer ist einer. Einer, der immer für Überraschungen gut ist. Mit Besprechungen voller Verve und brillanter Schärfe. Aber auch mit eigenen literarischen Werken ist der Vielschreiber und „Weltmeister der Besprechungen“ immer wieder hervorgetreten. Mit seinem neuen Band Verhunzungen & Warnungen, einer Textsammlung mit Überschreibungen zu bekannten Werken nicht minder bekannter Autoren beziehungsweise mit launigen Bemerkungen zu Klappentexten („Ich verfiel zunehmend dem Konsum von Klappentexten…“) verbindet er beides: Kritische Volten zu Fremdlektüren und eigene literarische Salti.

Der Band ist – wie der Titel schon verrät – in zwei Abschnitte, sprich Textsorten gegliedert. In „Verhunzungen“. Und in „Warnungen“. Unter „Verhunzungen“ sind selbstverfasste Besprechungen zu verstehen, die Helmuth Schönauer als Draufgabe und Belustigung bei Bibliotheks-Publikumsveranstaltungen zum Amüsement seiner Zuhörer:innen ausgeheckt hat. „Verhunzungen“, das klingt nach Verunstaltung. Schönauer im O-Ton: „Die Verhunzung ist eine Methode, bei der das sakrale Original für den profanen Gebrauch hergerichtet wird.“ Aus Handke wird dann … richtig(!): Fußke. Aus dem Stadtschreiber Norbert Gstrein und seiner Erzählung Einer: Norbert Stadtschreiber – Zweier. Und aus Felix Mitterer der Felix Unterober. Die vierte „Verhunzung“ ist Joseph Zoderers Roman Dauerhaftes Morgenrot gewidmet. Die Texte stammen aus Schönauers Archiv und wurden bereits in frühen Jahren zum Erscheinen der jeweiligen besprochenen Bücher u.a. in der Wiener Zeitung und diversen Foren veröffentlicht.

Auslöser, um auf diese Texte zurückzugreifen, war – so der Autor – die Neuausrichtung des Tiroler Haymon-Verlages. Diversität und Minderheitenrechte standen plötzlich im Focus des neuen Programms. Die Leserschaft wurde in Vorworten auch gleich „gewarnt: „Wir werden dir nicht versprechen, dass du unsere Bücher lieben wirst. Stattdessen möchten wir dir sagen: Du wirst unsere Bücher hassen. Du wirst die Protagonist*innen anschreien wollen, eine andere Entscheidung zu treffen oder einen anderen Weg einzuschlagen.“

Apropos Auslöser. Für Helmuth Schönauer wurden diese „Warnungen“ zum Trigger, also zum „Auslöser für einen Vorgang, der eine Empfindung, einen Affekt, oder ein Symptom bewirken kann“ (Wikipedia).

Damit sind wir beim zweiten Teil von Verhunzungen & Warnungen: bei den Warntexten, den „Triggerwarnungen“. Sie sind jüngeren Datums, also erst zeitnah zur Veröffentlichung verfasst. Darin nimmt Schönauer sich noch einmal ältere Titel vor, „nimmt sie auf den Kieker“. Franz Bönis Hospiz etwa („Nur für Leser, die es aushalten, dass das Reisen auch die Hölle sein kann.“) Oder Thomas Bernhards Amras („Was tust du, wenn du, der du erniedrigt wirst, stirbst?“) Als Motto könnte der Satz von Seite 49 stehen: „Literatur ist ein Beipackzettel zur Welt.“ Schönauer ergänzt diese Beipacktexte mit seinen Leseerfahrungen. Und mit seinen Warnungen, unter anderem auch vor den Beipacktexten. Einmal warnt er vor N-Wörtern, dann vor der Anstrengung einer Sprachlosigkeit, ein anderes Mal vor den Gefahren mehrdeutiger Literatur. Das ist Satire in ihrer klügsten und amüsantesten Form. Das ist Schönauer in Höchstform.

Übrigens: Gute Satire. Gute Satire ist auch immer eine Auszeichnung für das Zielobjekt. Und(!): sie kann sich auch selbst auf die Schippe nehmen. Wenn es eines Beweises bedurft hätte: Auf der Titelseite hat man aus „Verhunzungen“ gleich auch mal „VERHUNDZUNGEN“ gemacht. Eine Textsammlung wie gemacht, um uns einen Einblick in die Werkstatt eines Literaturbesessenen zu öffnen. Viel Spaß!

Verhunzungen & Warnungen.
Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten.
St. Johann: Verlag Hannes Hofinger, 2022.
126 Seiten, broschiert.
ISBN 978-3-9505074-4-7.

Homepage des Autors

Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autor

Rezension vom 09.08.2022

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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