#Prosa

Variationen in Prosa

Michael Donhauser

// Rezension von Redaktion

Dolden. Eine Ranke. Eine Wicke. Ein rostender Zaun. Laubfall. Entblättern und Ahnen als Wogen. Kahles Gezweig und abendlich verirrter Duft. Was der 1956 in Vaduz im Fürstentum Liechtenstein als österreichischer Staatsbürger geborene Michael Donhauser, der seit Langem in Wien lebt und 1986 seine erste Veröffentlichung herausbrachte, in seinem jüngsten Band mit Prosagedichten schildert, ist das scheinbar Kleine, das scheinbar Kleine, das täuschend Abseitige.

Es ist ein Stück Garten im Wandel der Tage und Wetterlagen und Momente des Monats März. Es ist, wie so häufig in den vielen Veröffentlichungen des Lyrikers, ein Zwischenraum, der anderen so bescheiden und unbedeutend erscheinen mag. Und der doch groß ist und eine ganze Welt enthält. Geht es hier doch um Sehen, um Atmen, um Leben zwischen Brachliegen und langsamem, stetigem Erwachen und Erblühen, und vor allem anderen geht es um das Benennen.
Denn was Donhauser in den zwei formal strengen Zyklen Variationen in Prosa und Variationen im März, ein Text auf einer Seite, ein jeder nicht nummeriert und ein jeder, im Blocksatz gesetzt, exakt elf Zeilen lang, umtreibt, ist seit Anbeginn seiner Schriftstellerei Sprache und Sprachliches.

„Es wird etwas sichtbar werden, und der, der es zu verhüllen glaubt, wird von ihm umhüllt werden.“ Diesen Gedanken Leonardo da Vincis hat Donhauser diesen neuen Prosagedichten vorangestellt, nicht ganz Motto, noch Leitlinie, der er treugehorsam folgt. Es ist vielmehr eine Vorbereitung auf das, was folgt. Der Welt, die folgt, und die Donhauser in Sprache überführt, in Worte. In den Klang der Worte, in die Objekthaltigkeit der Worte, wobei sich Donhauser seit Längerem emanzipiert hat von Einflüssen des Franzosen Francis Ponge, der Objektgedichthaftes zur sprachlich-emotional aufgeladenen Höhe trieb und heute in seinem Heimatland als einer der großen Literaturklassiker des 20. Jahrhunderts gilt und auch durch Aufnahme seiner Gesammelten Werke in die Elitereihe Bibliothèque de la Pleïade entsprechend kanonisiert ist.
Michael Donhauser hat, so Michael Braun in einer Laudatio vor mehr als zehn Jahren und damals schon eine Wandlung und Verwandlung andeutend, eine Umformung, wie dies Donhauser selber einmal nannte, „stattdessen ein eigenes sanftes Gesetz des Gehens, des Betrachtens und Aufrufens der Dinge entwickelt.“ Auch in diesen Prosapoemen geht es um Anrufen und Aufrufen: der Natur, des Lebenden, des Vergehenden. Nicht verbohrt eigensinnig noch übertrieben elegant hantiert Donhauser mit Sprache. Das Melodische ist ihm wichtig, was auch dazu führt, dass es immer wieder stakkatogleiche winzige Einschübe gibt, die dem Vorhergehenden eine neue Wendung, eine andere Färbung geben. Störung ist für ihn wichtig, Störung von außen – er gestand einmal, ein „Freiluft-Dichter“ zu sein -, aber auch Störung von innen, so dass die Sprache beunruhigt wird, Fäden sich verwickeln, Bilder unrein werden. Nicht frei von pathetischen Anflügen ist dies, und dabei nie sentimental, an keiner Stelle naiv oder nur bewundern. Weil es eben gemacht ist. Und weil Donhauser, der studierte Germanist und Romanist, Sprache nie nur als Abbildungs-, als Vervielfältigungsinstrument betrachtet, sondern von vorneherein als Kunstsprache.
So wie es in Frankreich eine Société des Lecteurs de Francis Ponge gibt und eben keine Francis-Ponge-Gesellschaft, also einen Kreis von die Bücher des französischen Poeten Lesenden, so sollte es auch eine Gesellschaft der langsamen (auch wenn sich Donhauser gegen „Langsamkeit“ entschieden verwehrte und das poetischere „Allmählichkeit“ vorzöge), genauen Leser Michael Donhausers geben.

Nicht genug zu loben ist auch, dass sich mit dem kleinen, feinen Matthes & Seitz Berlin Verlag ein weiterer Verleger dieses Dichters angenommen hat, die besondere Volte dabei: Es ist das wohl frankophilste Haus im deutschsprachigen Raum und somit eine neue, würdige Heimat und Ankunft für diesen Sprachkünstler, der einst sein Studium über einen Vergleich mehrerer Übersetzungen von Charles Baudelaires „Les Fleurs du Mal“ abschloss, damals schon über die Differenz von Sprache und Sprache, von Sprache und Welt, von Welt und dem Gewicht der Welt im Schreiben nachdenkend.

Michael Donhauser Variationen in Prosa
Prosagedichte.
Berlin: Matthes & Seitz Berlin, 2013.
104 S.; geb.
ISBN 978-3-88221-937-1.

Rezension vom 01.06.2013

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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