#Prosa

und so fort

Sissi Tax

// Rezension von Florian Neuner

„oder ist es etwa anders.“ Punkt, kein Fragezeichen. „etwas anders halt. / ja, anders ist es.“ Kein Satz, der nicht sofort wieder zurückgenommen, mindestens aber in Frage gestellt wird durch den nachfolgenden. Kein Wort, das nicht abgeklopft wird auf Mehrdeutigkeiten und nicht schon im nächsten Moment in einem ganz anderen Licht erscheint. Sprünge und Kehrtwendungen kennzeichnen den Text, der den Leser immer wieder überrascht und aus der Bahn wirft. „und dem ist nichts hinzuzufügen. so oder so nicht. / außer, es fügte sich etwas.“

Wieder hat Sissi Tax sich einige Jahre Zeit gelassen und endlich einen schmalen Prosaband mit dem harmlosen Titel und so fort vorgelegt, „eine probe meiner rezenten schreibarbeit“, wie die Autorin es ausdrückt. Wollte man diese Schreibarbeit näher einkreisen, man müßte wohl zu allererst von autoreflexiver Prosa sprechen. Tax schreibt in diesem Buch über das Schreiben, aber sie tut das auf ebenso unorthodoxe wie spielerische Weise, mit Essayismus hat das ebensowenig zu tun wie mit gängiger Schreibkrisen-Selbstbespiegelung. Auch kann man nicht sagen, daß Konzept und Kalkül im Vordergrund stünden bei diesem gleichwohl höchst sprachreflexiven Schreiben. Die Prosa von Sissi Tax atmet vielmehr so etwas wie fröhliche Anarchie. Tax schneidet nicht zurück, was hier ins Kraut schießen will, und am Ende hat man den paradoxen Eindruck, es mit einem üppig wuchernden Text zu tun zu haben, wo der doch auf gerade mal 60 Seiten eingedampft wurde.

Sissi Tax hat ihrem Buch eine programmatische Vorbemerkung vorangestellt, die mit einem auftrumpfenden Satz beginnt: „was ich schreibe, entzieht sich der beschreibung.“ Was selbstgefällig wirken könnte, wird aber sogleich mit einem Nachsatz konterkariert: „meiner zumindest.“ Wir befinden uns gleich mitten in der Textbewegung des Buches und haben es wohlgemerkt auch mit einem „prätext“ zu tun und mit keinem Vorwort. Als „minimale beiträge zu einer kritik der sprache mit und an der sprache“ faßt Tax ihre Unternehmung in diesem „prätext“ prägnant zusammen und spricht auch davon, „den worten und wörtern eine unabhängigkeit zurückgeben“ zu wollen. Damit ist ein zentrales Moment dieser Prosa bezeichnet: Tax versucht in einem fort, Konventionen zu brechen, eingeschliffene Bedeutungen auszuhebeln und semantische Vieldeutigkeiten herzustellen, um so mit ästhetischer Distanz auf das Funktionieren von Sprache, aber auch auf das Stottern, Stolpern, die Fragwürdigkeit und das Scheitern von Kommunikation blicken zu können. Sie demontiert Satz für Satz, Wendung für Wendung ihr sprachliches Material und betrachtet dann genüßlich die umherliegenden Trümmer. Das macht sehr oft Spaß, in zündenden Momenten ist es sogar erkenntnisfördernd.

und so fort steht insgesamt unter dem Signum des Paradoxalen: „schriebe ich, ich würde schreiben (…)“ beginnt der Text, das, was ein schreibendes Subjekt da zu Papier bringt, im selben Augenblick auch schon wieder zurücknehmend – eine immer wiederkehrende Wendung, die im Verlauf des Textes sogar noch weiter zugespitzt wird: „ja, würde ich schreiben, schriebe ich einst, geschrieben hätte ich (…)“ Ständig steuert der Text auf paradoxe Zuspitzungen zu wie: „kein stein bleibt auf dem anderen, aber alles bleibt beim alten.“ Oft stürzen ganze Kaskaden von widersprüchlichen Wendungen auf den Leser ein: „schnittig und geschmeidig, empfindsam und gleichgültig, geschliffen und ungehobelt, untergründig und deutungslos, bewußtlos und vernunftbegabt, auf allen vieren und aus leibeskräften, auf den hund gekommen und bärenstark“. Und dabei ist sich diese Autorin, die eigentlich gar nicht schreibt oder nur im Konjunktiv, auch dieser paradoxen Methode nicht sicher und fragt sich: „ob dabei etwas herauskommen mag, beim in-eins-fallen von unselbst und selbst, unfug und fug, untot und tot, ungestüm und gestüm, ungetüm und getüm (…)“

„beschreiben kann ich nur papier“ macht Tax deutlich und erteilt damit allen narrativen und auf ‚Inhalt‘ abhebenden Konzepten eine Absage. („anscheinend kommt es auf inhalt an oder auf keinen.“) Der Sprache zu Leibe rücken kann sie nur, indem sie sich mit „haufenweise denkabfall“ direkt konfrontiert, „auf des wortes schneide“. Der Text gerät darob stellenweise am Rande des nonsense kalauernd, wenn etwa über „sosein“ und „saucesein“ reflektiert wird, leistet sich humoristische Exkurse wie den, in dem der Unterschied von „semmelknödeln“ und „semmelnknödeln“ verhandelt wird. Dann wieder wird der Leerlauf stereotyper Wendungen ausgestellt: „ja halt etwa eben gerade eh noch.“ „oder weder entweder noch oder, aber sowohl weder als auch noch.“

„und so fort“ bis dann doch irgendwann ein Endpunkt erreicht ist: „riesige reste. rieselnde reste. zerrieselnde resteln. / entfleuchend. / im entfleuchen begriffen.“ Dann folgt noch ein merkwürdiger „index“, der aber nur aus einer Namensliste besteht und keine weiteren Verweise bietet. Hier wird über Namen wie Beckett, Broch, Celan mit einer Tradition der Moderne kokettiert, dazwischen trifft man aber auch auf Einträge wie „jägerwirt, der“.

und so fort.
Graz, Wien: Literaturverlag Droschl, 2007.
67 Seiten, gebunden.
ISBN 978-3-85420-733-7.

Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autorin

Rezension vom 15.01.2008

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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