Ulrich und seine Täter ist der dritte Roman von Amaryllis Sommerer nach Selmas Zeichen und Keine Wunde, nichts. Auch diesmal gelingt der Autorin die Verknüpfung von kriminalistischen, psychologischen und sozialen Motiven. Im Gegensatz zu einem klassischen Kriminalroman ermittelt jedoch kein Kommissar. Die RomanheldInnen jagen sich selbst, bis sich jede(r) Einzelne durch masochistische Gedanken zu Fall bringt. Mit eindringlicher Empathie erzählt Amaryllis Sommerer von seelischen Abgründen. Die drohende Absetzung der TV-Serie bewirkt bei den DrehbuchautorInnen Existenzängste und Torschlusspanik. Denn in dieser Branche herrscht neben dem üblichen Konkurrenzkampf und dem Buhlen um die Gunst eines Vorgesetzten nur ein Gesetz: Jugendlichkeit. Die altbekannte Problematik, dass die Tätigkeit als DrehbuchautorIn nicht gerade ein lebenserhaltender „Brotberuf“ ist, wird ebenfalls aufgegriffen.
Amaryllis Sommerer erzählt überspitzt von sechs neurotischen Charakteren. Als wären die DrehbuchautorInnen selbst Schauspieler ihrer TV-Serie „Diner´s Dynasty“ leiden und lieben sie auf sehr theatralische Art. Alle sind sie süchtig, sei es nach Drogen, Alkohol, Liebe oder Aufmerksamkeit. Da wäre einmal Barbara, die es versteht, ihrer Rolle als Venusfalle mehr als gerecht zu werden. Ob Christophs Vision von einem Kinofilm bloßes Hirngespinst eines alternden Drehbuchautors bleibt oder eine reale Chance ist, stellt sich erst nach quälenden Selbstzweifeln heraus. Die verschuldete Witwe von Ulrich kämpft gegen den Alkoholismus. Amadeus sucht in London Zuflucht in einer eingebildeten Existenz als Straßenkünstler. Mit Ulrich, dem Übermenschen, haben seine DrehbuchautorInnen auch noch nach seinem Tod nicht abgeschlossen. Dass er Didi als „spätes Mädchen“ bezeichnet hat, treibt diese in einen Angstwahn vor dem Altern. Der letzte im Team ist Richard, der fanatisch auf den nun freien Chefsessel hofft. Zwischenzeitlich werden uns LeserInnen die Probleme der DrehbuchautorInnen einfach zu viel. Sie wirken dann nicht mehr menschlich und lebensnah, sondern wie Karikaturen, nämlich exzentrisch und lachhaft.
Mit kritischem Blick erzählt Amaryllis Sommerer von der scheinheiligen Gesellschaft der TV-Branche. Abhängigkeitsverhältnisse lösen Machtkämpfe und Intrigen aus, die wie im Falle von Ulrich blutig enden. Die Autorin hat sich dabei allerdings für Contenance und gegen ein sprichwörtliches „in den Dreck ziehen“ ihres Berufsstandes entschieden.
Amaryllis Sommerer beherrscht das Spiel mit Worten in vielen Variationen, denn die Autorin würde es sich nie erlauben, auch nur einen Erzählmoment dem Zufall zu überlassen. Jeder Stimmung gebührt der passende Sprachstil. Teilweise wirkt dieser Anspruch etwas zwanghaft.
So setzen sich die HeldInnen des Romans Ulrich und seine Täter in ihren inneren Monologen mit zahlreichen rhetorischen Fragen selbst unter Druck. In den Teamsitzungen werfen die DrehbuchautorInnen mit Fachausdrücken wie „Storyline“, „Plots“ oder „Cliffhanger“ um sich. Auf vulgäre Weise wütet die Exfrau von Ulrich über ihre Nachfolgerin als „kleine Schauspielerfotze“ mit dem „Fotzenbaby“. Umgangssprache und ein durchgehend salopper Erzählton prägen den Roman.
Die HeldInnen stehen unter Stress, es gilt daher schnell voranzukommen. Der auktoriale Erzähler scheint ihnen immer einen Schritt voraus zu sein. Der rasche Perspektivenwechsel ist gut gelungen. Die Erzählzeit im Präsens und die kurzen Sätze, die punktuell nur aus einem Wort bestehen, bewirken Lebendigkeit und gestalten die Lektüre kurzweilig.
Gekonnt baut Amaryllis Sommerer von Anfang an Spannung auf und löst diese erst mit einer Rückblende am Romanende, die Überraschendes zu bieten hat.
Amaryllis Sommerer möge das Schreiben von Romanen beibehalten, denn eine Fortsetzung ist wünschenswert.