#Lyrik

Üble Inhalte in niedrigen Formen

Antonio Fian

// Rezension von Karin Cerny

Schlichter geht es nicht mehr: ein nacktes weißes Heftchen. Sieht man das Buch von vorne, dann sieht man praktisch nichts, keinen Buchstaben, keine Bilder, nur weiß. Bloß an der Buchkante steht der Titel, wie mit Bleistift hingekritzelt.

Fians Bücher, die im Droschl-Verlag erschienen sind, sehen immer so aus. Mit seinem neuen Werk, dem Gedichtband Üble Inhalte in niedrigen Formen, gelingt nun aber die Reduktion der Reduktion: diesmal auch ohne festen Einband. Wie die Umschläge von Fians Büchern „nicht“ gestaltet sind, das hat etwas sehr Persönliches, so als hätte man ein eigenes Notizbuch in der Hand, so als könnte man selbst darin weiterschreiben. Sie sind schlank und funktional wie ein Stück Design, quasi ein Helmut Lang der Literatur. Die Umschlaggestaltung stammt übrigens von dem Zeichner Tex Rubinowitz.

Aber auch die Gedichte von Fian haben etwas sehr Schlankes, nichts ist zuviel an ihnen. Fian beweist, wie in allen seinen Texten, auch in diesem Genre einen Blick für’s Wesentliche, gepaart mit einem überaus sicheren Formbewußtsein, wenn es darum geht, Stile nachzubilden und mit neuen Inhalten zu füllen. Anders als bei seinen Dramoletten ist der aktuelle Bezug nicht wichtig, zumindest nicht auf den ersten Blick. Das sehr weitgefaßte Thema lautet: „Üble Inhalte in niedrigen Formen“. Da hätten wir eine „Murder Ballad“, (Kärntner) Heimatlieder, einen Werbespot, einmal „Theater heute“ und einmal „lyrik heute“, aber auch „das schönste gedicht der welt“ von der eigenen kleinen Tochter mit Kommentar („nun habe ich meiner kleinen tochter / das schönste gedicht der welt / gestohlen nun / hasse ich mich“).

Fians Gedichte spielen mit Sprache und drängen stark dazu, vorgetragen oder zumindest laut gelesen zu werden. Der Witz („divina gruppe“) oder die Doppelbödigkeit („trettn datrettn“, Fians Kärnten-Zyklus) ergeben sich erst, denkt man anders, als man liest, bzw. hört man anders, als man sieht. Dialektkenntnisse sind von Vorteil, und daß man Englisch und Österreichisch gut mischen kann, beweist Fian in der „Murder Ballad“: „Though i teppat woa, waaß scho, total out of reason, / though i gwußt hob, wos‘ wüü, and wanted it now“. Daß Politik auch in der Küche stattfindet, mit „blues“: „she’s down in the kitchen / scharping kohl“.
Man merkt, daß Fian viel an der musikalischen Form liegt. Vor allem das Heimatlied hat es ihm angetan, und zwar nicht in der billigen Art, daß er sich darüber lustig macht. Fian ist Archivar und Radikal-Analytiker zugleich. In den „Vier Variationen über vier Zeilen der vierten Strophe des Kärntner Heimatlieds“ hätte man gerne auch das Original parat, um besser abschätzen zu können, wie Fian sozusagen in die Eingeweide der Texte fährt und sie anagrammmäßig umkrempelt: „Freu dich an ihr, sie tut’s, sie atmet! / Ihre Titten ruft sie aus, die Scham!“. Viel Unbewußtes wohnt da in den Buchstaben.

Fian schafft es gut, die Balance zwischen ernstem Witz und witzigem Ernst herzustellen. Seine Gedichte sind lebenspraktisch: zu einer Malerin, die nicht malt, aber andere zum Malen bringt („Falsch ist es, sich mit einem Mann zu aalen. / Wer Schönheit sucht, fängt selber an zu malen.“); und gerne auch metaebenenhaft, geht es um „lyrik heute“: „in meinen augen / ein schmatz / ein kompletter czernin / in meinen augen“. Für „Üble Inhalte in niedrigen Formen“ kann man wohl oder übel nur in höchster Form Lob aussprechen.

Antonio Fian Üble Inhalte in niedrigen Formen
Gedichte.
Graz, Wien: Droschl, 2000.
37 S.; brosch.
ISBN 3-85420-535-X.

Rezension vom 15.03.2000

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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