#Roman

Turrinis Herz

Franz Friedrich Altmann

// Rezension von Eva Maria Stöckler

Turrini ist ein schwarzer Spitz, klein, dicklich, leicht angegraut, dem Konsum von Alkohol, vor allem Freistädter Ratsherrentrunk aus der lokalen Brauerei, sehr zugetan, und er gehört Frau Mag. Gudrun Wurm. „Gucki“, die mittlerweile mit einer Diplomarbeit über Sentimentale Motive im dramatischen Werk von Peter Turrini – daher der Name ihres Hundes – das Studium der Theaterwissenschaft abgeschlossen hat, ist seit acht Jahren Journalistin bei den Mühlviertler Nachrichten und hat nun mit diesem Fall bereits ihren zweiten Mord aufzuklären.

In unmittelbarer Nähe zu Kapelle und Heilquelle Mariabrunn soll in dem ehemaligen Ausflugsgasthaus Mariabrunn ein Bordell entstehen. Die Entrüstung der Mühlviertler Bevölkerung ist groß, auch Gucki schaltet sich mit einem reißerischen Artikel gegen das Bordell in die Debatte ein, verliebt sich allerdings bei der Recherche in den Bordellbesitzer Sigi Schellhammer (und Turrini in dessen Hund Krimi – Kriemhild). Am nächsten Tag ist Sigi tot und Gucki die Hauptverdächtige. Die Mörderjagd beginnt.

Das Wesentliche eines Kriminalromans sind Darstellung und Aufklärung eines Verbrechens, meistens eines Mordes. Damit zielt die Handlung auf einen klar umrissenen Endpunkt ab und die Kunst besteht in einer spannenden und originellen Hinführung der Leser zu diesem Ziel. Dabei werden oftmals eine Reihe von Seitenwegen, Sackgassen, Verstrickungen und Verwicklungen eingebaut, ehe alle Handlungsfäden in der Lösung des Falles verknüpft werden können. Neben dieser zentralen narrativen Ebene spielen Charakterzeichnung der Figuren und die Verortung der Handlung in bestimmten Milieus, Gesellschaftsschichten, Subkulturen und nicht zuletzt an bestimmten Orten eine wichtige Rolle. So können einerseits Person und Ort – Brunetti in Venedig – oder auch nur eine Person in verschiedenen, immer wieder neuen Milieus – Brenner im katholischen Festspiel-Salzburg, im von Touristen überlaufenen Zell am See oder bei der Grillhendlmafia in Klöch – zu Kristallisationspunkten von Krimis werden. In österreichischen Krimis schlägt sich diese Ortsangebundenheit insbesondere in einer regionaltypischen Sprache nieder, die zuweilen auch der Erzähler annimmt.

Der Mühlviertler Franz Friedrich Altmann, in Hagenberg geboren, kennt Sprache, Land und Leute, sodass die Darstellung der Skurrilitäten rund um Gucki Wurm und ihre tarockierenden Nachbarsbuben als „Heimat- und Sittengeschichte aus dem Mühlviertel“ (Klappentext) überzeugt. Recht deftige, aber durchaus originelle Schimpfwörter leiten diesmal (in Turrinis Nase waren es regionale Sprichwörter und Bauernweisheiten) die Kapitel ein: „Hurerei, elendige!“, „Du Heubodentürldepp!“, „Leck Arsch eini!“, „Blutsau, blutige!“. Die orts- und landeskundigen Leser begegnen dabei einer Reihe von bekannten Ausdrücken, idiomatischen Wendungen und Satzfragmenten. Dativ- anstatt Genitivkonstruktionen, parataktische Satzverkürzungen, einfache Hauptsatzkonstruktionen, abgetrennte Nebensätze, die mit „weil“ oder „dass“ beginnen. Gesprochene Sprache verschriftlicht. Und als ob sichs im Dialekt nicht wirklich lieben ließe , bricht ausgerechnet in dem Moment, als sich Gucki verliebt, Poesie durch: „Während der Sonnenuntergang sein Bestes gibt und den ganzen Raum in ein Inferno aus Rot und Gold verwandelt.“ (S.30). Aber Altmann schafft es, neben dem immer wieder von kurzen Vor- und Rückblenden unterbrochenen Vorantreiben der Handlung, in wenigen aber sehr prägnanten Strichen die Figuren zu umreißen ohne dabei klischeehaft zu werden: den schleimigen Bordellbesitzer, der in Kitzbühel zu Geld gekommen ist, den übereifrigen Polizisten, der sich vor allem dem Entzug von Führerscheinen widmet, den Waffensammler, der mit Nazi-Devotionalien handelt.

Die „satirische Liebeserklärung an Land und Leute“ setzt mit stellenweise etwas zu viel Lokalkolorit auf das in den letzten Jahren sehr erfolgreiche Genre des „österreichischen“ Krimis, das mit Wolf Haas wohl einen seiner bekanntesten Vertreter aufzuweisen hat. Nichtdestotrotz ist Turrinis Herz ein witziges, vergnügliches Buch voller regionaler (und durchaus realer!) Skurrilitäten, das Fortsetzung erwarten lässt und am Ende die Frage aufwirft, welchem Turrini’schen Körperteil nach Nase und Herz sich Altmann als nächstes widmen wird.

Franz Friedrich Altmann Turrinis Herz
Kriminalroman.
Graz: Leykam, 2010.
216 S.; geb.
ISBN 978-3-7011-7727-1.

Rezension vom 10.11.2010

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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