Werner Schandor zeichnet in seinem jüngsten Roman Thomas Feigl will die Kunst des Liebens lernen ein pointiertes Psychogramm von den Enden der Parabel Liebe. Vom Kennenlernen bis zur bitteren Trennung. Vom Erstarken und Erschlaffen der Gefühle. Und er zeigt uns einen Intellektuellen, der glaubt, dem Phänomen mit dem Verstand gewachsen zu sein.
Die Enttäuschung mit Martha war zu groß, als sie sich eines Tages ent-liebt hatte und er nicht einmal so wirklich wusste warum. Auch nach Monaten nicht. Und nach Jahren auch nicht. Diesmal soll es anders werden. Diesmal will er sich nicht mehr Hals über Kopf in ein Abenteuer stürzen. Diesmal wird der Kopf lenken. Und diesmal wird er die Liebe als Kunst betrachten – oder mehr als Handwerk, das es zu erlernen gilt.
Erich Fromms „Die Kunst des Liebens“ und Erich Frieds „Es ist, was es ist“ bilden die Pole des Geschehens. Pole, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Von der Gebrauchsanweisung bis zum Eingeständnis des völligen Versagens jeglicher Erklärung. Worüber man nicht sprechen kann, darüber soll man schweigen? Aber eigentlich redet man darüber ganz besonders gern. Vor allem wenn es um Herz, Bauch und Lenden geht. Und, kein Wunder: ausgehend von Erich Fromm landet unser Protagonist am Ende doch bei Erich Fried. So einfach ist das eben nicht mit der Gebrauchsanweisung. Auch wenn manches davon vielleicht recht nützlich erscheint.
Thomas Feigl hat sich für sein Beziehungsexperiment ein Liebesobjekt gewählt, das ihm zunächst unterlegen scheint: die Schuhverkäuferin Manuela. Aber auch wenn sie ihm intellektuell nicht das Wasser reichen kann, in punkto emotionaler Intelligenz steckt sie ihren „Herrn Professor“ dreimal in die Tasche. Und der schaut dann auch am Ende blöd aus der Wäsche.
Nomen est Omen bei unserem Helden. Und wenn er auch nicht ausdrücklich als Feigling bezeichnet werden kann, ganz unbeteiligt ist er nicht daran, dass alles feiglt. Nicht nur in der Zweisamkeit, sondern auch im Beruf. Aus der Assistentenstelle wird nichts, die gemeinsame Wohnungssuche gestaltet sich mehr als schwierig, und vor lauter „wird scho wieder werdn“ konzentriert er sich auch auf die Kunst des Liebens nicht mehr so richtig.
Und das einzige, was wohl einer Beziehung noch weniger gut tut als eine Gebrauchsanweisung, ist eine Gebrauchsanweisung, die man nicht einmal mehr anwendet. Und so geschieht es dem Herrn Professer Pechvogel, der mehr über seine Gefühle nachgrübelt als er sie wirklich fühlen kann, auch ganz recht, dass es feiglt. Naja. Ein bisschen leid tun darf er uns trotzdem. Vor allem, als er Manuela am Ende ausgerechnet mit – nein, mehr wird nicht verraten, lesen Sie selber.
Nach seinem unkonventionellen Krimi „Glücksfall“ und dem teilweise experimentellen Prosaband „in flagranti“ beschreitet Werner Schandor nun literarisch neue Wege. Und zwar im Sinne des neuen Erzählens in der österreichischen Literatur, das Helmut Gollner kürzlich im Band „Die Wahrheit lügen“ (Studienverlag) u. a. an Autoren wie Hochgatterer, M. Amanshauser oder Kehlmann festmachte.
Junge Autoren erzählen wieder in Österreich. Aber eben nicht auf überkommene Art und Weise. Es ist keine naive Rückkehr zur Tradition von vor 100 Jahren. Es ist ein neues, frisches Erzählen, eines, das sich keineswegs mit „Gschichterldrucken“ zufriedengibt, sondern doch jedem Autor sein literarisches Selbstbewusstsein (im wahrsten Sinne des Wortes) abverlangt.
Bei Werner Schandor etwa wird der Leser nicht nur gut unterhalten, sondern auch mit einem gewissen Programm konfrontiert, paradoxerweise einem Programm mit dem Erkenntniswert, dass zuviel Programmatik schädlich ist … nicht nur für die Liebe.