Der erste Teil widmet sich dem Leben und Werk von Johannes Freumbichler, Großvater und Mentor Thomas Bernhards. Anhand der Dokumente wird der lebenslange Kampf Freumbichlers um Anerkennung und Lebensunterhalt gezeigt. Ein erhellendes Dokument ist etwa ein 1938 verfaßtes Schreiben des Zsolnay-Verlages an den Träger der österreichischen Staatspreises, in dem der Verlag die Ablehnung eines Roman-Manuskriptes mit den damaligen politischen Verhältnissen begründet: „Wenn z.B. gesagt wird, dass aus der Vermischung der Rassen nicht nur die intelligentesten sondern auch die apartesten Menschenkinder hervorzugehen pflegen`, so ist das zweifellos eine Stellungnahme zu einem Thema über das im heutigen Deutschland nicht mehr diskutiert werden kann.“ (S.51) Anhand der Dokumente wird auch die innige Beziehung des Schriftstellers zu seinem Enkel Thomas sichtbar, dem er stets die beste Erziehung zukommen lassen wollte: „Lerne fleissig – Dein späteres Lebensglück baut sich aus dem auf, was du gelernt hast“, schreibt er seinem Enkel ins Schülerheim. Was besonders überrascht, sind die stilistischen Ähnlichkeiten zwischen Großvater und Enkel. So lautet eine Stelle aus dem Nachlaß von Freumbichler: „Ich habe alle Stationen dieses erbarmungswürdigen Lebens durchgemacht, alle Stationen dieser mich täglich rücksichtlos auffressenden Welt.“ (S.63) Bernhard (stilistisch) light, sozusagen.
Im zweiten und bei weitem umfangreichsten Teil erhält man faszinierende Einblicke in den Nachlaß Thomas Bernhards und in die Arbeitsweise des Schriftstellers. „Korrektur der Korrektur der Korrektur der Korrektur“ – dieses Zitat aus dem gleichnamigen Roman gilt für viele Typoskripte aus dem Nachlaß: Da werden Titel umgeschrieben („Ein Fest für Boris“ statt „Die Jause“), ganze Seiten weggestrichen, manche Stellen zwei, drei, viermal überschrieben, sodaß man förmlich die Gehirne der Nachlaßverwalter rauchen sieht. Mal überarbeitete Bernhard einen bereits erschienenen Gedichtband („Auf der Erde und in der Hölle“) und strich gleich die Hälfte seiner tiefschwarzen Zeilen weg, dann wieder urteilt er auf der Titelseite eines abgeschlossenes Romantyposkripts „Wie kann so was passieren? Aufgeblasenes Nix!“ Daß Bernhard vor „Frost“ schon einige zum Teil fertige Romane („Der Wald auf der Straße“; „Tamsweg“, „Schwarzach St.Veit“) geschrieben hat, die er dann allerdings bei keinem Verlag unterbringen konnte, erschließt sich ebenso wie seine Pläne für einen Roman mit dem Titel „Neufundland“, der jedoch unvollendet blieb und mit den bezeichnenden Worten beginnt: „Wenn wir einen tatsächlich nur seiner Arbeit lebenden, ja nur aus dieser seiner Arbeit heraus existierenden Bruder als Internisten haben, entgehen wir im Laufe der Jahrzehnte Hunderten von Ärzten“ (S.154, Bernhards Halbbruder Peter Fabjan ist Arzt in Gmunden).
Der dritte Teil widmet sich schließlich dem Lebensmenschen über dreißig Jahre, Hedwig Stavianicek. Man erfährt einiges über die Biografie der bemerkenswerten Frau und ihr Verhältnis zu dem Schriftsteller, den sie finanziell wie mental tatkräftig unterstützte. Hier wird (wieder einmal) deutlich, wie entscheidend Stavianiceks Einfluß auf die Arbeitsdisziplin des Schriftstellers besonders in der Zeit der ersten ernstzunehmenden literarischen Versuche Bernhards war. Bernhard dankte es der älteren Freundin mit tiefer Zuneigung. „Du bist mir der liebste Mensch – wie soll ich es anders sagen? Meine Mutter? Ja! – Ist das nicht so?“ (S.167)
Nachdem bereits vor drei Jahren der „Rampe“-Sonderband zu Bernhard, Freumbichler und Stavianicek Bemerkenswertes zu Tage gefördert hat, bietet nun dieser Bild- und Textband neue Fakten und weitere Zugänge zum Werk des österreichischen Schriftstellers. Ein lohnender Kauf.