#Roman
#Debüt

Texas als Texttitel

Max Höfler

// Rezension von Gerald Lind

In Max Höflers Debütroman Texas als Texttitel ist die Genrebezeichnung im Untertitel Programm: „Ein Rabiatkomödienroman“. Brachialer Humor, Mut zum intellektuell-infantilen Wortspiel, deftige Unsinnlich- und Unsinnigkeit sowie der rabiate Umgang mit den Konventionen der Romangattung bestimmen diesen Text. Experimentelle Literatur mit dem Schlaghammer, könnte man sagen, nicht unbedingt subtil, aber effektvoll.

Handlung und Figuren sind dabei vernachlässigbare Größen. Zwar treten in dem an die „Freunde der Kleinschreibung“ (S.8) adressierten Roman unter anderem ein dichterheld, eine anna, ein otto und eine erna, eine herrenreisegruppe, eine redaktion und der in das Attentat auf Abraham Lincoln involvierte George A. Atzerodt auf, es passiert auch allerlei mehr oder weniger Unanständiges – Hauptfigur und Triebfeder des Textes ist aber die Sprache. Sprachkritisch und sprachverliebt zugleich wird am laufenden Band „Zeichenfirlefanz“ (S.16) getrieben, in wüsten Wortkaskaden wird das Innere der Sprache nach außen gewendet. Sprachstile und -ebenen, Sozio- und Technolekte, verschiedene Gattungen vom Briefroman bis zur Posse, von der Autobiographie bis zur Lyrik werden durcheinander gewirbelt, gehen beständig ineinander über. Auf einer literatur- und philosophiegeschichtlichen Folie, die sich von Dada und konkreter Poesie bis zu Jandls „heruntergekommenen sprachen“, von Kartesianismus und Hegelianismus bis zu Poststrukturalismus und Dekonstruktion erstreckt, werden nach dem Montageprinzip Zitate und Fotografien, Szenen und Episoden aneinander gereiht, werden metafiktionales Spiel und intermediale, transgenerische Polyphonie auf die Spitze getrieben. „Sehr sorgsam zusammengesetzte textteile“ eben, „die durch deren kompilierung ein gar ganzes buch ergeben müssen“. (S.117)

Die „Buchstabenveranstaltung“ (S.102) Texas als Texttitel privilegiert eine Unordnung der Dinge, versucht mit allen zur Verfügung stehenden (literarischen und typographischen) Mitteln die von Michel Foucault analysierte „Ordnung des Diskurses“, die diskursiven Selektionsmechanismen und Regelwerke ironisch zu unterlaufen. Dem Text ist ein Wille zur Subversion eingeschrieben, der über ein enthemmtes Wuchern und Rauschen der Diskurse und Narrative, der Anspielungen und Abwandlungen, der Erzähl- und Stilebenen transportiert werden soll. Alles, nur nicht angepasst oder konventionell möchte dieses Buch sein, gerne auch laut und plakativ, aber niemals ohne ironische Selbstrelativierung.

In seinem Versuch einer totalen Subversion – die auch eine Subversion der Subversion miteinschließt – ist Höflers Text ein notwendiges Korrektiv der literarischen, akademischen und sozio-politischen Diskursregime. Indem er den Ernst und die Ernsthaftigkeit dieser Redeweisen ins grotesk Lächerliche steigert, macht er den hegemonialen Absolutheitsanspruch der „werteste[n] Werkewächter“ (S.24) – der eben auch und gerade in der Sprache steckt – deutlich. Andererseits aber partizipiert der Text selbst an elitären Diskursen, denn natürlich ist auch (selbst)ironische Gelehrsamkeit gelehrsam. Das zeigt sich unter anderem an einem Theoretiker-Namedropping in Bezug auf die schon erwähnte und sich bisweilen in sexuellen Orgien ergehende Herrenreisegruppe, die aus „friedrich, walter, immanuel, ludwig, theodor, michel, jacques, jean-françois“ (S. 18) und so weiter besteht. Der Text hat also als Zielpublikum eine Leserschaft, die am intellektuellen Spiel-Witz partizipieren und Nietzsche, Benjamin, Kant, Wittgenstein, Adorno, Foucault, Derrida oder Lacan, Lyotard und so weiter identifizieren kann. Innerhalb dieses Zielpublikums wird dann allerdings der respektlose Umgang mit diesen Geistesgrößen im Sinne einer „negativen Transsubstantiation“ – das heißt Rückverwandlung und Reduzierung der Denker auf ihre nackte, lüsterne Leiblichkeit – wie auch der forsch-freche Umgang mit der Literaturgeschichte in Anbetracht mancher Lektüreerfahrung eine angenehme, kathartische Funktion haben.

Es gibt nun durchaus aktuelle Texte, die ähnlich wie Texas als Texttitel vorgehen, bei aller Persiflage aber auch die theoretischen, besonders poststrukturalistischen, Tiefendimensionen ausloten und ebenso auf einer narrativen Ebene spannend sind, ich denke da zum Beispiel an Mark Z. Danielewskis großartigen Roman „House of Leaves“ (2000). In der österreichischen Gegenwartsliteratur ist Höflers Zugangsweise, die man als Helge Schneider und Monty Python meet Wittgenstein, Kant und Derrida zur postnarrativen und postpornographischen Schnapsverkostung beschreiben könnte, aber auf jeden Fall einzigartig. Max Höflers Texas als Texttitel ist ein vorzügliches Debüt, abwechslungsreich und originell, kritisch-satirisch und zum Teil herrlich absurd.

Max Höfler Texas als Texttitel
Ein Rabiatkomödienroman.
Klagenfurt, Graz, Wien: Ritter, 2010.
144 S.; brosch.
ISBN 978-3-85415-454-9.

Rezension vom 31.05.2010

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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