#Anthologie

Tatort Beisl

Edith Kneifl

// Rezension von Angelo Algieri

Das Beisl – für die meisten ein Ort der Gemütlichkeit, wo man etwa ein Schnitzel mit einem Spritzer bekommt. Aber auch ein Ort, wo Morde und andere Verbrechen geplant oder gar ausgeführt werden. Über diese deliktlastige Seite erzählt die Anthologie Tatort Beisl der Herausgeberin und Krimiautorin Edith Kneifl. Der Krimi-Band ist im Wiener Falter Verlag erschienen.

Es sind 13 Kurzkrimis, je nur ca. 30 Seiten lang, von 13 verschiedenen, teils bekannten Krimiautoren.  Sie spielen alle in Wien und in jeder Geschichte kommt ein real-existierendes Beisl vor – teils spielt es die Hauptrolle. Darüber hinaus dürfen Tote ebenso wenig fehlen wie eigenartige Ermittler.

Die Bandbreite der Geschichten ist groß. So greift Eva Rossmann in ihrem Krimi „Weit, weit fort“ die Probleme von Asylbewerbern auf. Omar, ein somalischer 17-Jähriger und talentierter Fußballer, steht vor der Abschiebung und taucht unter. Seine Freundin Ming und die Ich-Erzählerin suchen nach ihm. Es kommt im Beisl „Neu Brasilien“ zum Wiedersehen und zu Tumulten – wird Omar abgeschoben?

Um Integration und Scheinheiligkeit geht es auch in der Geschichte „Othello in Favoriten“ von Andreas P. Pittler. Eine Prostituierte wird im Prater von einem ehemaligen Polizisten und jetzigen Wirt tot aufgefunden. Viel zu spät benachrichtigt er seine ehemaligen Kollegen. Grund: Er war in sie verliebt und ging regelmäßig mit ihr fremd; seine Frau weiß von nichts. Wie die Leiche wegschaffen, ohne dass der Wirt verdächtigt wird? Neben der Aufklärung des Falls erzählt Autor Pittler geschickt über die erfolgreiche Integration von Tschechen in Wien nach dem Zusammenbruch der K.u.K-Monarchie – ein löblicher Verweis auf die immer wieder auftretenden Integrationsdebatten.

Eine äußerst gelungene, packende Krimigeschichte ist „Sicario“ von Günther Zäuner. Darin erzählt der Autor, wie ein kolumbianischer Auftragskiller seinen letzten Job ausführen möchte: Ein Kellner im Garten des Strandgasthauses Birner soll umgebracht werden. Doch es kommt ganz anders, als er denkt …

Nicht nur spannende, sondern auch langsame Panoramabeschreibungen finden sich in dieser Anthologie, etwa in der Erzählung „Chez Wickerl“ von Jacqueline Gillespie. Der Tagesablauf des Beisls Wickerl wird in aller Breite und Gemächlichkeit beschrieben. Die Lehrer und Schüler der gegenüberliegenden französischen Schule kehren hier ein. Jeder mit seinen Freuden und Sorgen. Aber auch mit boshaften Gedanken. Es erinnert an Erzählungen von Guy de Maupassant, an den Moment, in dem nichts scheint wie es ist – eine treffliche, sensible Variation des Krimi-Genres.

Eins darf bei diesen Krimis überhaupt nicht fehlen: der Wiener Humor. Klassisch der grantelnde Mann und seine peinlich genauen Beobachtungen und Ermittlungen im Beisl – herrlich ironisch und ins Absurde verkehrt. Nachzulesen in „Die Puffprinzessin von Penzing“ von Raoul Biltgen. Oder die Geschichten mit makaberem Ausgang, etwa  „Der Hai im Hanslteich“ von Franz Zeller oder „Leichenschmaus“ von der Herausgeberin Edith Kneifl. Beide sind sehr lesenswert, auch wenn Kneifl das Schwulenklischee mit einer dussligen, flirtenden Tunte bedient.

Auch wenn nicht jedem Autor die kurze Geschichte liegt – bei manchem klaffen Spannungsbogen und erzählte Geschichte auseinander, die Dramaturgie verpufft und langweilt –, ist es erfreulich, dass bekannte Krimi-Autoren mit der Kurzform experimentieren.

Nach den Tatorten Kaffeehaus und Beisl darf man auf die dritte Schankörtlichkeit Wiens gespannt sein: den Heurigen. Dann wäre, laut Vorwort des Autors und Kulturveranstalters Berndt Anwander, das „Trio infernale“ komplett. Wir dürfen gespannt sein!

Edith Kneifl (Hg.) Tatort Beisl
13 Kriminalgeschichten aus Wien.
Wien: Falter Verlag, 2011.
280 S.; geb.
ISBN 978-3-85439-464-8.

Rezension vom 26.01.2012

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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