#Roman

Superheldinnen

Barbi Marković

// Rezension von Beatrice Simonsen

„In der Geschichte, die ich erzähle, triumphiert am Ende das produktive Prinzip der dritten Freundin und Retterin und die ganze Sache kulminiert in einem neoliberalen Roboterselftrackerastronautenhappyend.“ (S.8) Diese Ankündigung auf den ersten Seiten des Romans entspricht nur der halben Wahrheit – was das Happy End angeht.

Denn in Wahrheit sind die Superheldinnen von Barbi Markovic nicht ganz so einfach gestrickt wie ein Superman. Zwar wollen auch sie nur das Gute für ihre vom Schicksal benachteiligten Mitmenschen, aber die Art ihrer Eingriffe unterscheidet sich wesentlich von denen ihres Namensgebers.
Das Mittel der „Intervention“, das die Superheldinnen allwöchentlich auf eine von ihnen auserwählte Person konzentrieren, nennt sich „Blitz des Schicksals“, die Alternative ist eine „Auslöschung“. In ihrer Kolumne für die Zeitschrift „Astroblick“ fordern sie ihr Publikum zu einem gebündelten Energiestrom auf, mit dem sie die Auswerwählten in eine (hoffentlich!) bessere Welt befördern beziehungsweise diese in der Erinnerung aller ganz einfach löschen. Fast mehr als die magere Bezahlung ihrer Geistesblitze brauchen sie aber einander, um nicht in sozialer Depression zu versinken. Mangels anderer Einkunftsquellen bebrüten die Freundinnen ihre Interventionsideen jeden Samstag in einem schmierigen Wiener Café, wo die Ich-Erzählerin unter anderem darüber nachdenkt, was der Grund dafür sein könnte, dass ihnen der Aufstieg in „die bürgerliche Mittelschicht“ nicht gelingen mag.

Die Ich-Erzählerin, „Enttäuscht vom Leben, mit einem dehnbaren Gewissen“, Mascha, „sattelfest in Magie wie auch im Sozialbereich“, und Direktorka, die vielleicht mit einem „Potenzial für Großes“ begabt ist (S.5), sind Emigrantinnen eines zerfallenen Reiches, sie stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien, das ihnen nicht viel mehr als Hass auf ihre Vergangenheit mitgegeben hat. Sarajevo, Belgrad, Wien und Berlin sind die Dreh- und Angelpunkte der drei Lebensgeschichten. Aus der Heimat haben die jungen Frauen als Erbe nur mitgebracht, was sie von ihren parapsychologisch begabten Tanten und Großmüttern gelernt haben, und ein „grünes Säckchen“ aus der Belgrader Vergangenheit, das sie vergiftet. Es ist keineswegs ein Erbe, auf dem man sich ausruhen könnte, sondern eine an der Psyche nagende Belastung. Der permanente Geldmangel ist außerdem mit Schuld an dem Desaster, in das die Ich-Erzählerin auf einer Reise nach Berlin schlittert – am Sehnsuchtsort ihrer Selbstverwirklichung stehen die überall präsenten Versprechungen der Werbung ihren eigenen Erlebnissen plötzlich diametral entgegen. Immer wieder schiebt Barbi Markovic aus der Werbebranche lukrierte Textblöcke ein, die umso schriller wirken, je grauer sich die Situation der Protagonistinnen anfühlt. Die Diskrepanz zwischen der eigenen prekären (finanziellen) Situation und dem „sogenannten normalen Leben“ nährt die Perspektive der Ich-Erzählerin und wird mit den Mitteln der Satire überhöht.

Dieser erste in Romanform verfasste Text der 1980 in Belgrad geborenen Autorin ist nur eine konsequente Fortsetzung ihrer bisherigen Arbeit. Erstmals fiel die Germanistikstudentin mit einem frechen Remix von Thomas Bernhards Erzählung „Gehen“ auf, der im renommierten Suhrkamp Verlag in der deutschen Übersetzung unter dem Titel „Ausgehen“ gleich zwei Auflagen (2009 und 2013) erreichte. Sie bekam das Etikett „Popliteratin“ und wurde 2011 als Stadtschreiberin in Graz engagiert, wo sie ihre Position wörtlich nahm und alles abschrieb, was ihr auf den Straßen begegnete: Plakate, Graffiti, Speisekarten, Auslagen, Preislisten … . Das sachliche Abschreiben der Stadt setzt die Autorin auch in „Superheldinnen“ als Stilmittel ein, mit dem Ziel, die leeren Versprechungen der Werbewelt zu entlarven. Sogar zitierte Gebrauchsanweisungen werden mitunter zur Bedrohung, wenn der Mensch nicht funktioniert wie das Ding es will.

Karl-Markus Gauß nannte die Satire in Zusammenhang mit Bora Cosic einmal eine „Balkanspezialität“, mit Barbi Markovic schließt eine neue Generation an diese vaterländische Tradition an. Superheldinnen ist eine zum Teil bittere Satire, denn Spott und Parodie tragen den Unterton der totalen Ernüchterung. Dies ist nicht weiter verwunderlich, bewegen sich die Lebensläufe der drei Frauen zwischen Künstlertum und Migration doch immer am Rande des Existenzminimums. Lässt man den mitreißenden Witz einmal beiseite, tauchen aus der Tiefe des Textes aktuelle Themen wie Armutsgefährdung und unerwünschte Immigration auf, zeigt er doch nichts anderes, als dass echte Integration erst mit dem Erreichen eines minimalen Wohlstands der Betroffenen möglich wird. Dies mag durchaus autobiographisch angehaucht sein: die Autorin lebt seit mittlerweile zehn Jahren in Wien, ihren teils auf Deutsch, teils auf Serbisch verfassten Roman hat Mascha Dabic kongenial übersetzt.

Barbi Marković Superheldinnen
Roman.
Mit Übersetzungen von Mascha Dabić.
Salzburg, Wien: Residenz, 2016.
176 S.; brosch.
ISBN 978-3-7017-1662-3.

Rezension vom 08.03.2016

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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