#Roman
#Debüt

Sumpfwandertag

Alexander Lippmann

// Rezension von Spunk Seipel

Österreich steht vor dem politischen Abgrund. Im Parlament soll über eine Sicherheitsnovelle, die die Freiheitsrechte stark einschränken wird, abgestimmt werden. Ganz Wien ist in Aufruhr. Das ist der politische Hintergrund, vor dem der dysoptische Roman ‚Sumpfwandertag‘ von Alexander Lippmann spielt.

Die Straßenschlachten, die Lippmann beschreibt, erinnern an die Kämpfe zwischen Kommunisten und Faschisten in den 1920er und 1930er Jahren. Ebenso wie der vermeintliche Verrat der Sozialdemokraten an linke Ideale. Tatsächlich bedient sich der Autor vieler historischer Reminiszenzen für seinen dystopischen Erstling. Es ist eine Geschichte von Verschwörungen und geheimen Ränken, von skrupellosen Machtspielen und brutalen Gewaltszenen. Es wird eine Endzeitstimmung hervorgerufen, die wenig Lichtblicke erkennen lässt. Wer gut und wer böse ist, wird im Laufe des Romans immer stärker verwischt, und der Icherzähler Hagen Steiner wird zum Opfer, das selber brutalste Gewalttaten ausübt.

Aus seinem griechischen Exil berichtet Hagen Steiner über die vielleicht schlimmsten Tage seine Lebens. Nicht nur das Land, sondern auch er selbst befindet sich in einer Krise. Der einst radikale Trotzkist hat in seinen eigenen Augen seine Ziele verraten und sich der SPÖ als Mitarbeiter angedient. Doch wird er von einem SPÖ-Abgeordneten im voreilendem Gehorsam vor den neuen Sicherheitsgesetzen gefeuert. Unentschieden über seine eigene Rolle gerät er zudem unter Mordverdacht an seinem alten Freund Farid, einem der letzten konsequenten und aufrechten Kommunisten Wiens. Hagen Steiner bekommt die Chance, den Mord auf eigene Faust aufzuklären und seine Unschuld zu beweisen. Doch bekommt das weder ihm noch seinen Freunden oder Feinden gut. Steiner geht sprichwörtlich über Leichen. Ein einsamer Wolf, der die Welt, die er verachtet, retten will und an sich selbst scheitert.

Hagen Steiner ist voll von Feindbildern. Nicht nur Neonazis, auch Esoteriker, die einheimische Landbevölkerung und die Zugezogenen, Sozialdemokraten und Menschen, die nach Ottakring ziehen und dort Kaffee trinken, gehören zu den Bösen, die am Untergang der Welt kräftig mitwirken. Die oft holzschnittartige Gestaltung der Figuren, die zum Teil ins karikaturhafte übergeht, bietet dabei wenig Platz für leise Töne oder eine detailliertere Ausgestaltung. Klischees vom dummen, ungebildeten Neonazi und vom aufrechten, aber leider von der Gesellschaft nicht anerkannten Kommunisten werden bis auf die Spitze getrieben.
Der Icherzähler hat wenig Zeit den Mord aufzuklären, er wird gehetzt, geschlagen und gefoltert, was sich im sprachlichen Stil des Buchs widerspiegelt. Oft springt der Text von Gedanken und Analysen zu gesellschaftlichen Themen zu einer hektischen und spannungsgeladenen Handlung, die im Lauf der Geschichte immer wieder für Überraschungen sorgt.

Der Roman folgt der Tradition des Roman noir der 1970er Jahre. Ein politisches Literaturgenre, dem sich Lippmann verpflichtet fühlt und dem er neues Leben einhauchen will. Ein interessanter Versuch, aktuelle politische Strömungen nicht nur in Österreich literarisch zu verarbeiten und zugleich Spannung durch aktuelle Verschwörungstheorien zu erzeugen. Auch Jack Londons berühmter dystopischer Roman „Iron Heel“, nach dem Lippmann seine Doommetalband, in der er Frontman ist, benannt hat, steht für seinen Roman Pate: der Kampf zwischen Linken und Faschisten in naher Zukunft wird aus dem Rückblick gesehen. London sah Entwicklungen voraus, die leider eintrafen. Hoffen wir, dass Lippmanns Roman nur eine literarische Warnung an uns bleibt.

Alexander Lippmann Sumpfwandertag
Roman.
Wien: Zaglossus, 2014.
200 S.; brosch.
ISBN 978-3-902902-24-5.

Rezension vom 28.10.2014

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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