Auch im vorliegenden Sammelband steht „Popliteratur“ im Fokus des analytischen Interesses, darunter v.a. Texte von Rolf Dieter Brinkmann, Rainald Goetz, Benjamin von Stuckrad-Barre und Wolfgang Herrndorf. Das Ziel ist (so Klappentext und Einleitung) „intermedial differenziert“ „erste Bausteine“ im Rahmen eines stilistischen Vergleichs zwischen Popliteratur und Popmusik zu setzen und „musikalische Form und literarische Form theoretisch und vor allem analytisch zu verbinden“.
Dem vorgegebenen Stichwort „Intermedialität“ zum Trotz ist das Gros der Beiträger/innen in der Allgemeinen oder Germanistischen Literaturwissenschaft (mit einzelnen medientheoretischen und theaterwissenschaftlichen Schwerpunkten) sozialisiert. Linguistinnen und Linguisten mit Schwerpunkt Stilistik fehlen, und auffällig ist der Abstand gegenüber Kolleginnen und -kollegen anderer Wissenschaftsfächer oder -fachbereiche, die sich für Popliteratur interessieren könnten. Nur einer der Beiträger hat einen musikwissenschaftlichen Hintergrund. Auch methodisch dominieren die traditionellen Vorgaben des Fachs (germanistische) Literaturwissenschaft oder Neuere Deutsche Literatur. Im Zentrum stehen die Texte (in den Kapiteln des Inhaltsverzeichnisses subsumiert als lyrische, narrative, theatrale und filmische Stile) und deren intertextuelle oder auch literaturhistorische Bezüge. Musik erscheint primär (und immerhin) als eine (nach wie vor schwer fassbare) Form der Inspiration, besonders in Hinblick auf die Aspekte (künstlerischer) Habitus, (politischer) Gestus, Prosodie (Atemtechnik, Sprechpause, Lange Zeile) sowie Textform und inhärent reflektierte sprachlich-kontextuelle Metaebene und Genese (Fragment, Sampling, Bricolage, Improvisation, Assoziation, Variation, Prozessualität).
Der besondere Verdienst des Bandes ist es dennoch, erste Positionsbestimmungen im Rahmen einer Stilistik von Popliteratur vor dem Hintergrund ihrer musikalischen Vorbilder vorgenommen zu haben und darüber hinaus (und je nach Beitrag mehr oder weniger bewusst und explizit) spezifische ästhetische, philosophische und politische Ambivalenzen des Forschungsgegenstands zu beleuchten, der sich zwischen den Möglichkeiten und Anforderungen von „Massengeschmack“ und „elitärem“ Kunst- oder Literaturverständnis hin- und hergerissen zeigt. So möchte man einerseits „trivial“ sein, „wütend“ und „obszön“, andererseits „subtil“ und „poetisch“, einerseits „alltäglich“ und „am Sprechen orientiert“, andererseits „literarisch“ (S. 36, S. 101). Man hat eine „gebrochene Beziehung“ zu „Unmittelbarkeit“, „Empathie“, und „Unbekümmertheit“ sowie auch zum Markt und sehnt sich doch danach oder versucht, sich darauf einzulassen (S. 44ff, vgl. S. 59, S. 104). Man möchte Konventionen öffnen oder anfechten (vgl. S. 99ff.) und doch nicht ganz auf formale Strenge verzichten bzw. „Formlosigkeit“ und „Beliebigkeit“ vermeiden (vgl. S.58),. Und man ist „pessimistisch“ und „anti-perfektionistisch“-„subversiv“ und strebt doch auch das Interesselose und Zweckfreie in der Form eines genialen Dilettantentums an (S. 104, 90, 118, 59, 99).