Klänge dies nicht wie eine Tautologie , so müsste man es ein „leises“ Schreiben nennen: Was bei der Lektüre der Aufsätze zur deutsch-jüdischen Literatur, welche Margarita Pazi (1920-1997) hinterlassen hat, zunächst auffällt, ist ihre eigentümliche Verbindung von Eindringlichkeit und Diskretion. Darin an Ilse Aichinger erinnernd, entsagen diese Essays der flotten Phrase und jedem schnellen Schluss. Es ist, als hätte die in Tel Aviv und in Würzburg lehrende Philologin für ihr eigenes Schreiben den Modus jener „kleinen Literaturen“ (Deleuze/Guattari) gewählt, welcher sie sich auch thematisch konsequent verschrieb. Es sind die Literaturen der sprachlich-kulturellen Enklaven, es sind die Literaturen der Diaspora. Von den deutsch-jüdischen Exponenten des „Prager Kreises“ im frühen 20. Jahrhundert bis hin zu der prekären Situation jener Schriftstellerinnen und Schriftsteller, welche sich im heutigen Israel in der „verpönten“ deutschen Sprache formulieren. Wenn Margarita Pazi in ihren Aufsätzen über Broch, Brod, Kafka, Kraus, Lasker-Schüler, Sachs, Tucholsky, Werfel oder Zweig jeweils das Jude-Sein der Autoren fokussiert, gestaltet sie – in Summa – ein differenziertes Spektrum jüdischer Identitäten zwischen Assimilation und Aufbegehren, Defensive und Utopie. Solcherart sind Margarita Pazis sorglich gestaltete historische und „ideengeschichtliche“ Szenarien nicht für die Gelehrtenrepublik reserviert, sondern praktizieren im Denken über Worte und Werke jene „Entschleunigung“ , welche man neuerdings gerne propagiert.
Christiane Zintzen
6. Oktober 2001
Zuerst erschienen in: NZZ, 6. 10. 2001.