#Prosa

Statusmeldungen

Stefanie Sargnagel

// Rezension von Andreas Tiefenbacher

In ihrem neuen Buch mit Kurztexten, dessen Titel sich am Social-Media-Begriff für einen Textbeitrag im eigenen Facebook-Profil orientiert, beobachtet Stefanie Sargnagel über einen Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren ihre Umgebung genauso wie gesellschaftspolitische Abläufe oder sich selbst. Die Notate beginnen am 10.7.2015 und enden mit dem 15.2.2017. In ihnen legt die 31jährige Autorin vieles unverblümt offen: Privates wie Beobachtetes. Auch einige die Allgemeinheit betreffende Themen kommen zur Sprache: Flüchtlingskrise, Bundespräsidentenwahl oder Zielpunkt-Pleite.

Einige Personen werden von Sympathie nicht gerade überschwemmt, manche ironischen Betrachtungen unterzogen. Zimperlich geht die Autorin dabei nie vor. Das bekommen gerade FPÖ-nahe Personen zu spüren, vor allem dann, wenn sie sich z.B. als Gegner von Subventionen für Frauenhäuser exponieren oder sonst öffentlichkeitswirksam rechtspopulistisch auffallen, wie der dritte Präsident des Nationalrates Norbert Hofer, der angeblich „wie eine Bauchrednerpuppe“ aussehen und „wie eine bitchige 12-Jährige“ reden soll.

Bissig amüsant sind derartige Vergleiche schon. So schreibt eine Autorin, die sich „zur Grenzgängerin geboren“ fühlt und weiß, dass sie als Unbekannte „schon genauso überheblich“ gewesen ist, wie sie vermutet, es mit höherem Bekanntheitsgrad nun tatsächlich zu sein. Sie freut sich, wenn die Menschen bei ihren Lesungen „viel lachen“. Sie fühlt sich „dann lustig und legitimiert“.

Dementsprechend schreckt sie auch vor Selbstentblößung nicht zurück. Offen gibt Sargnagel zu, dass sie „überraschungseisüchtig“ und ihre Lieblingskörperpflege das „Zehennägel zwicken“ ist; dass sie „Messie-Tendenzen“ hat; „Blumen aus den Magistratsgärtchen“ reißt; es innerhalb kürzester Zeit schafft, „auf kleiner Fläche maximales Chaos“ anzurichten; „am liebsten tagelang nackt im Wohnzimmer vorm Fernseher“ liegt und dass es ihr diebische Freude bereitet, sich „mit Hygieneartikeln anderer das Arschloch zu reiben“.

In dieser wortrustikalen Deutlichkeit liegt eine provokante, ja angriffslustige Originalität, die nicht nach jedermanns Geschmack kommt. So hat ihr unter dem Titel „Überall spritzt Fett“ in der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ erschienener Artikel über Wagner und die Bayreuther Festspiele (wie die Autorin in einigen Tageseinträgen – Leserbriefe inklusive – festhält) etwa dazu geführt, dass wegen tiefer „Niveau- und Geschmacklosigkeit“ Abos gekündigt worden sind.
Kaum werden konservative Grundwerte etwas durch den Kakao gezogen, schon verstehen gewisse Menschen keinen Spaß mehr. Ein wenig Toleranz und Aufgeschlossenheit reicht allerdings – und die Sargnagellektüre avanciert zu einem formidablen Lesegenuss, der einem auch noch in pointierten Texthäppchen serviert wird.

Ihre Erzählrealität ist eine vertraute. Und wenn Sargnagel dann auf ihre Alpträume verweist, in denen sie als Kunstfigur (…) unter den Augen hunderter Fremder ihr Leben dokumentiert“, dann scheint dies nichts als eine kleine zart-ironische Anspielung darauf zu sein, wie wenig sie Autobiografie von ihrer engagierten Literaturauffassung fernhalten kann, die sich ganz nebenbei als satirisch-kritische Wortwelle gegen eine Spaßgesellschaft geriert, die „nur noch Amerika, Walkman, Bubblegum, Baseballcap im Schädl“ hat, statt zu Allerheiligen „am Friedhof seine tote Oma (zu) besuchen“.

Dass nicht jeder mit ihrer Art von Humor zurechtkommt, ist der Autorin klar. In einem Eintrag zum 30.10.2016 meint sie sogar, dass niemand ihn mit ihr teilen würde. Aber so arg dürfte es dann doch nicht sein. Oder zumindest keine Auswirkungen haben. Denn das in den Statusmeldungen vorgeführte Schriftstellerinnenleben offenbart ein ganz anderes Bild: „Eine gehypte Jungautorin um die dreißig, nett, umgänglich und oft im Ausland“ taucht hier auf. Und wer wie sie über Ausflüge nach Tokio und Marokko berichten kann, über Lesereisen durch Deutschland und Mazedonien und auch noch beim Bachmann-Wettbewerb mit dem Publikumspreis belohnt wird, der braucht sich über mangelnden Zuspruch nicht zu sorgen. Immerhin gelingt es, die 700-Euro-Call-Center-Arbeit gegen den Status der „selbständigen Künstlerin“ zu tauschen. Reich macht sie das zwar leider nicht; „aber immerhin Mittelschicht“ ist man plötzlich.

Ob es dem österreichischen Arbeiterkind dadurch gelingt, seine haptische Überforderung mit großformatigen Zeitungen abzulegen, bleibt allerdings ungewiss. Solange die „Liebe zum China-Buffet“ zur Partnerschaftserhellung beiträgt und das Ghostbusters-Flipper-Spielen die fein gesponnenen Wortattacken gegen den „Scheiß Kapitalismus“ nicht verkümmern lässt, ist es gut.

Dass „Arbeiten (…) das Schlimmste“ ist, was einem blüht und man „mit dem Versuch, die Welt zu verstehen“ zeitweilig ausgelastet ist, sollte eine Schriftstellerinnenexistenz auch nicht weiter irritieren. Es dürfte nämlich eher ein gutes Zeichen sein. Bei Stefanie Sargnagel äußert sich das in ihren zwischen Tage- und Notizbuch changierenden Ausführungen, in denen sich Mundartdialoge mit dem Vater genauso finden wie Appelle, Fragen, Botschaften und Nonsens-Gedichtchen, auf erfrischende Weise. Immerhin ist, wie man bereits auf Seite 6 von Statusmeldungen erfährt, „alles, was hier geschrieben steht, fiktiv“ – also irgendwie doch richtige Dichtkunst.

Stefanie Sargnagel Statusmeldungen
Kurztexte.
Reinbek: Rowohlt, 2017.
304 S.; geb.; m. Abb.
ISBN 978-3-498-06444-0.

Rezension vom 11.12.2017

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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