#Roman

Statusmeldung

Fabian Burstein

// Rezension von Eva Maria Stöckler

Unter dem Begriff der „persona“ versteht die Tiefenpsychologie „die Maske oder das Gesicht, das ein Mensch aufsetzt, um der Welt gegenüberzutreten (…) Im Laufe des Lebens trägt ein Mensch viele verschiedene Masken, manchmal auch mehrere zur gleichen Zeit.“ (C.G. Jung: Psychologische Typen. Zürich, Stuttgart 1960, Abs. 800.)

Persona bezeichnet damit jenen Teil des Ich, der für ein normatives, sozial kompetentes Verhalten des Individuums gegenüber seiner Umwelt sorgt, was jedoch, da die Eigenschaften der Persona hauptsächlich durch Anpassung erworben werden, zu Lasten der Individualität erfolgt. Somit ist die Persona nicht der individuelle, persönliche Mensch, sondern das Bild des Menschen, das dieser seiner Umwelt zeigt, die Maske, hinter der sich seine Individualität verbirgt.

Die digitale Welt des Social Network kennt keine Personen oder Menschen, sondern nur digitale Profile, Bilder virtueller Personae von realen Menschen. „Ich“ ist eines dieser digitalen Profile, hinter dem sich Julian Kippendorf, Wien, arbeitssuchend, verbirgt. „Aber habe ich Ihnen schon mal erzählt, wer ich bin – ganz unabstrakt und anhand biografischer Alltäglichkeiten? Natürlich nicht. Wer will das schon wissen in einer Welt, in der alles subjektiv und dennoch streng anonym ist.“ (S. 7)
Julian beschließt, seine wahre Identität in einer Welt zu enthüllen, in der es keine wahre Identität gibt, so wenig, wie es in dieser Welt wahre „Freunde“ gibt, Identität und Freunde sind in der digitalen Welt nur virtuelle. „
Liebe Johanna, ich musste mich ein paar Tage vom Internet fernhalten. Das habe ich irgendwie gebraucht. Nur um zu sehen, ob meine virtuelle Existenz Substitut oder Bereicherung ist.“ (S. 83) Julian versucht mit der Offenbarung seines Namens, seines Status – gemeint ist der Beziehungsstatus, den er zwischen „Verheiratet? Ja. Eigentlich nein.“ und „Single“ angibt (S. 11 bzw. 25) – in der virtuellen Welt seine Probleme in der realen Welt zu lösen.

Diese Offenbarung kommt einem Abstieg in das Unterbewusste gleich. Auf seinem Weg in diese Unterwelt tauchen Schatten aus der Vergangenheit auf, Menschen, die er verloren hat, Beziehungen, die gescheitert sind, vor allem die Beziehung zu Leila. Ein „Einsamesherz“, Jo Hanna, begleitet wie Charon Julians Weg in die Vergangenheit und in die realen Abgründe seiner virtuellen Existenz. Mit ihr an seiner Seite ist er in der Lage, sich seiner Vergangenheit zu stellen, der gescheiterten Beziehung zu Leila, dem konfliktbeladenen Verhältnis zu seinem Bruder Fritz, dem sich Leila zugewendet hat und von dem sie ein Kind erwartet. Das öffentliche Geständnis, die digitale Abrechnung mit der realen Welt gerät aber nicht nur zu einer karthatischen Reinigung seiner selbst, sondern auch zu einer Beunruhigung seiner wahren, realen Freunde und seiner Familie. Am Ende gelingt die Versöhnung und das Verzeihen und aus dem „Vertrauen 2.0“ (S. 11) wird eine reale Begegnung. Folgerichtig beenden Jo Hanna und Julian Kippendorf am 13. August 2009 um 23.59 Uhr ihre virtuelle Existenz.

Der „Facebook-Roman“ Statusmeldung ist ein Briefroman, in dem nicht Briefe geschrieben werden, in dem nicht einmal mehr E-Mails geschrieben werden, sondern der sich des Kommunikationsmittels des 21. Jahrhunderts bedient: Social Network. Und auch im Social Network des Jahres 2011 schreibt man einander Gedanken, Gefühle, Ereignisse. Teilt einander Sorgen, Probleme, Freuden mit. Als Julian Kippendorf, als JK1975, als Einsamesherz, als Jo Hanna. Dabei ist die wahre Identität viel weniger hinter der virtuellen verborgen, als es im ersten Moment scheint. Auch im world wide web stecken hinter digitalen Profilen reale Menschen, die zwar hinter Masken verborgen sind, deren Entledigung aber gefühlte Anonymität erleichtert. Die Intermedialität dieser Kommunikation weist dabei über die verschriftlichte, gedruckte, veröffentlichte Romanhandlung hinaus, sodass Julian nicht nur als Protagonist des Romans Statusmeldung, sondern auch als Statusmeldung der Webseite www.statusmeldung.at existiert. Der Entfernung des digitalen, aber persönlichen Profils im Roman folgt eine reale, aber virtuelle Existenz in der Welt der Leser.

Fabian Burstein Statusmeldung
Roman.
Wien: Labor, 2011.
256 S.; geb.
ISBN 978-3-902800-00-8.

Rezension vom 28.03.2011

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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