#Roman

Stadt der Schmerzen

Edith Kneifl

// Rezension von Emily Walton

Ein enormes Tempo legt Edith Kneifl in ihrem jüngsten Krimi Stadt der Schmerzen vor. Bereits in den ersten Seiten steckt so viel Handlung, wie sie in manchem 600-Seiten-Buch nicht zu finden ist: Im Zentrum des Geschehens steht Katharina Kafka, jene Hobbydetektivin, die man schon aus Kneifls Roman Schön tot kennt. Sie reist mit ihrem Freund Orlando – eine transsexuelle, exzentrische Figur mit Faible für Sisi-Kleider – nach Florenz, um dem Begräbnis seines Vaters beizuwohnen. (Orlando ist ein unehelicher Sohn, der seinen Erzeuger kaum gekannt hat.) Doch das Begräbnis wird jäh unterbrochen: Orlandos Cousin Riccardo wird tot aufgefunden. Ein Fleischerhaken steckt in seinem Körper.

Schon ist Kafka, hauptberufliche Kellnerin und studierte Historikerin, mitten in ihrem nächsten Fall. Und obwohl Orlando zunächst nichts von den Ermittlungen wissen will (er träumt in der Zwischenzeit von einem Leben als Winzer auf einem geerbten Weingut), begibt sich das Duo auf Spurensuche. Ein nicht ungefährliches Unterfangen.

Ein bloßer Mordfall reicht für einen modernen Krimi nicht mehr aus. Kneifl packt ihre 238 Seiten voll – mit Menschenhandel, Kinderprostitution, Diebstahl und Parfumfälschung. Und es wäre natürlich nicht Italien, wenn nicht die Mafia vorkommen würde. Auch eine rumänische Bande hat ihre Finger im Spiel.
Trotz der Themenvielfalt gelingt es der Wiener Autorin, die vielen Handlungsstränge gekonnt zusammenzuführen. Zugleich beweist sie, dass sie sich nicht nur in Wien zurechtfindet. (Kneifls letztes Werk war ein „Grätzel-Krimi“, im fünften Bezirk angesiedelt.) Diesmal legt sie ihre Geschichte in Florenz an, schildert die Umgebung real und authentisch. Sie erzeugt Atmosphäre: Der Leser wird in eine Stadt entführt, die heiß, laut und voll ist. Eine Stadt, in der es die besten Panini gibt und wo der Wein scheinbar endlos fließt. Zusätzlich liefert Kneifl historische Details über Florenz: Man begegnet den Medici, Dante und der David-Figur, man erfährt, dass das Café Giubbe Rosse einst ein beliebtes Literatencafé war und dass das Wort Toskana „Land der Etrusker“ bedeutet (und natürlich einiges mehr). Diese Schilderungen sind interessant, können aber für den Lesefluss hinderlich sein, lenken sie doch vom Eigentlichen ab. Auch die vielen Namen sind ein wenig störend. Der Leser muss sich erst zwischen den vielen Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen der Pazzini-Dynastie zurechtfinden.

Dennoch ist das Buch eine kurzweilige Lektüre. Kneifl, die mehrfach ausgezeichnete Krimiautorin ist, überzeugt mit einfacher, flotter und undifferenzierter Sprache, ohne dabei platt zu wirken. Es ist ein Stil, der dem Genre entspricht.
Stadt der Schmerzen
kann auch ein Vergnügen für Nicht-Krimi-Leser sein. Ironie wie auch Situationskomik ziehen sich durch. Das liegt vor allem an den Charakteren, die der Psychoanalytikerin Kneifl durchaus gelungen sind: Die Figuren – vor allem das konträre Hobbydetektiv-Duo Kafka/Orlando – sind griffig, fast dreidimensional, und die Ich-Erzählerin sorgt für zusätzliche Dynamik.

Edith Kneifl Stadt der Schmerzen
Ein Florenz-Krimi.
Innsbruck, Wien: Haymon, 2011.
240 S.; geb.
ISBN 978-3-85218-681-8.

Rezension vom 02.05.2011

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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