#Anthologie

Soweit, so gut

Andreas Pittler

// Rezension von Walter Wagner

Anlässlich seines 40. Geburtstags hat der Autor eine Auswahl seiner Texte vorgelegt, die aus einer überaus reichen 20-jährigen Schaffensperiode hervorgehen. So weit, so gut enthält neben Auszügen aus Krimis und Romanen sowie vereinzelten Gedichten Passagen aus diversen Sachbüchern, Essays und Artikeln, die in so renommierten Blättern wie der Standard, Wiener Zeitung oder AZ erschienen sind.

Pittlers Ausflüge in die Belletristik sind jüngeren Datums und stehen im Schatten seiner nichtfiktionalen Werke, die den promovierten Historiker und Germanisten als profunden Kenner der europäischen Geschichte und Literatur ausweisen. Insofern erscheinen aktuelle politische Bezüge in seinen Kriminalromanen – etwa der Nordirlandkonflikt oder der Zerfall Jugoslawiens – als logische Erweiterung seiner Begabungen und Interessen.

Dass Pittler mit Talenten gesegnet ist, steht außer Zweifel. Vielleicht besitzt er zu viele, tendiert er in zu viele Richtungen, um dem Umfang seiner Publikationen entsprechend wahrgenommen zu werden. Er zählt zu jenen Autoren, die mühelos zwischen Registern und Genres wandern und dabei Gefahr laufen, sich zu verzetteln.

Seine unbändige Neugier mag der Leserschaft zum Vorteil gereichen, dem Autor und Schriftsteller hingegen kaum. Um es konkret zu formulieren: Es schickt sich nicht, jeden Versuch zu veröffentlichen. Manches sollte durchaus in der Tiefe der Schublade ruhen dürfen. Dies gilt für die lyrisch-epigonalen Ergüsse Pittlers, die einmal mehr seine Vielseitigkeit und Polyglossie unterstreichen, dem Urheber indes schwerlich Anerkennung einbringen werden. Auch lässt sich fragen, weshalb Pittler – und dies gilt für das gesamte Lesebuch – eine so schwungvolle und sichere Prosa mit Einsprengseln aus Fremdsprachen verunziert, die er nur leidlich beherrscht (Französisch oder Spanisch), sodass schmerzliche Verballhornungen entstehen, die nach Rücksprache mit Fachleuten leicht zu vermeiden gewesen wären. Möglicherweise stoßen wir hier aber auf ein Phänomen, das in der Schnelligkeit journalistischen Schreibens gründet und an manchen Stellen von Pittlers Artikeln gar den Wunsch nach stilistischer Nachbesserung aufkeimen lässt.

Dessen ungeachtet gelingt es dem Autor, mitzureißen und Neugier zu schüren. Besonders dann, wenn er sich, souverän Vergangenes in Gegenwärtiges einbindend, als Biograf und Historiker betätigt und dem Leser Zusammenhänge ebenso spannend wie sinnfällig erschließt. Erwähnt seien hier exemplarisch die abenteuerliche Vita des russischstämmigen Politikers Dimitri Markow, dessen Spuren sich in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verlieren, oder jene des aus ärmsten Verhältnissen stammenden Wiener Bürgermeisters Jakob Reumann, der sich nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie als unermüdlicher Kämpfer gegen die Armut Verdienste erwarb.

Pittlers Ausführungen zeugen stets von großem Kenntnisreichtum, den er gern mit einschlägigen Zitaten belegt. In dieser Sicht verwandeln sich seine humorvoll-subtilen Essays in profunde Lektionen, denen der Interessierte viel abzugewinnen vermag. An und ab blitzen dabei kuriose Details auf, die sich unversehens im Gedächtnis verfangen. Wir erfahren z. B., dass am 1. April 1918 der erste reguläre Flugverkehr zwischen Wien und Kiew eingerichtet wurde, was angesichts der damals herrschenden politischen Lage als groteske Nebensächlichkeit anmutet. Wie würde Hegel wohl dieses Absurdum kommentieren?

So weit, so gut macht uns auch bekannt mit dem Kritiker Pittler, der sich in seinen Analysen zur europäischen Literatur, insbesondere der slawischen, zur Autorität emporschwingt. Geleitet von einem feinen ästhetischen Gespür, begreift er das Werk stets im Zusammenhang mit der Biografie und entwirft in seinen Annäherungen beredte Porträts der von ihm Bewunderten. Die kärntnerslowenische Dichterin Cvetka Lipus zählt zu seinen Favoritinnen; Andric, Krleza und Voranc entreißt er dem Vergessen; für Wilde, Eco, Blok und, wenn’s sein muss, Nick Cave schlägt sich Pittler in die Bresche und weckt unsere Lese- und Hörlust.

Wer ist Andreas P. Pittler? Wenn es erlaubt ist, werfen wir diese Frage zum Schluss auf. Ein literarischer Tausendsassa? Ein zu Unrecht Verschmähter und Übergangener? Ein feinsinniger politischer Beobachter und Historiograf? Ein Mittler zwischen den Kulturen und Literaturen? Etwas von all dem. Etwas mehr oder etwas weniger. Eine Entdeckung allemal.

Andreas Pittler Soweit, so gut
Ein Lesebuch.
Klagenfurt: Wieser, 2004.
248 S.; brosch.
ISBN 3-85129-474-2.

Rezension vom 27.06.2005

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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