„Was du dir immer zusammenreimst“, wundern sich die Erwachsenen immer wieder über Annis blühende Fantasie. Beim Besuch des Nikolaus in Begleitung schauriger Gestalten meint sie, die Stimme der toten Großmutter zu hören. Als Opfer für Jesus schneidet sie ihre langen Haare, um mit Josefi gemeinsam zur Ersten Kommunion gehen zu dürfen. Hinter dem Zauberspiegel eines alten Schranks in der Dachkammer meint Anni eine Himmelstür zu erkennen, hinter der sich ihre verstorbene Schwester Bernadette verbirgt. Ihr sechster Sinn verstellt Anni aber nicht ihren kritischen Geist. So fragt sie eines Tages am Mittagstisch: „Wo sind denn jetzt die Nazis?“ Ganz pragmatisch ist ihr Traum von einem Goldesel für das Geld, das auf dem elterlichen Hof ständig fehlt.
Jedenfalls ist nie genug da. Nicht für Marthas neue Skier; und schon gar nicht für Annis Tennisstunden. Die ohnehin darunter leidet, dass sie im Tennisclub als Bauerstochter nie wirklich dazugehört. So begabt sie auch sein mag. Trotzdem wird Tennisspielen der Beginn ihres Traums von einem anderen Leben. Anni nimmt ihn mit in die benachbarte Stadt Linz, wo sie, wie Josefi, eine Ausbildung beginnt. Josefi als Krankenschwester, sie als Kellnerin. Beide brechen ihre Lehre ab. Josefa, weil sie ungeplant schwanger wird; Anna, weil sie Schauspiel studieren möchte. Josefa übernimmt schließlich mit ihrem Mann den Hof der Eltern. Anna arbeitet als Sozialarbeiterin in Linz. Und Katharina zieht nach Wien. Die politisch engagierte Lehrerin bleibt als einzige kinderlos. Erst als die Mutter stirbt, merken die drei Schwestern, wie sehr sie sich auseinandergelebt haben. Und stellen fest, dass sie längst nicht alles voneinander wissen; genauso wie über die Vergangenheit ihrer Mutter. Ihr Kindheitstraum vom „Dreimäderlhaus“ kommt aber dennoch zustande. Josefa gibt den Anstoss dazu. Mit ihrer Idee, den Schwestern auf dem elterlichen Hof ein Wochenend- und Ferien-Domizil einzurichten. So lange wir träumen, bleibt schließlich alles möglich.
Christine Macks kurze Familiengeschichte Solange wir träumen ist ein nur auf den ersten Blick unscheinbares Debüt. Was am Anfang fast schlicht wie ein Kinderbuch daher kommt, wird sanft und unmerklich immer komplexer. Und entwickelt sich, Erzählung um Erzählung, zum Psychogramm der eng miteinander verknüpften Entwicklungsgeschichte dreier Schwestern. Die Binnen-Erzählungen wirken wie Schnappschüsse aus einem Familienalbum. Sie erscheinen wie einzelne Polaroids eines Fotobuchs. Schlaglichthaft, aber repräsentativ, wird jeweils nur ein kleiner Ausschnitt der Familiengeschichte beleuchtet. Sukzessive baut die Autorin daraus das Bild einer Großfamilie rund um die drei Schwestern. Christine Macks kindheits- und entwicklungspsychologisches Einfühlungsvermögen und ihr klare und einfache Sprache überzeugen. Am Ende steht das Bild der drei Schwestern so plastisch vor Augen, dass man als Leser gerne wissen möchte, wie es weitergeht.