#Roman
#Prosa

Seelendschungel

Martin G. Wanko

// Rezension von Peter Landerl

Erich Glamser ist der Held des neuen (Kriminal)Romans Seelendschungel von Martin G. Wanko. Glamser ist Polizist, seine Arbeit langweilt ihn, deshalb will er unbedingt zur Kripo, aber er hat das falsche Parteibuch. Als er zum dritten Mal übergangen wird, kündigt er. Was macht ein arbeitsloser Polizist? Er wird Privatdetektiv. Wie gut, dass auch im Ländle Verbrechen geschehen.

Glamser wird zur Vernissage des Malers Pirk geladen. Dort ist er vom ausgestellten Bilderzyklus ungewöhnlich fasziniert. Fünfzehn Bilder zeigen mystische mittelalterliche Szenen aus einem kalten Winter. Der Bodensee ist zugefroren, eine Sippe zieht auf den See und schlägt ein Kreuz ins Eis. Ein geheimnisvolles Mädchen soll anscheinend geopfert werden. Während der Vernissage verschwindet der Maler Pirk. Seine attraktive Freundin Emma engagiert Glamser, den Maler aufzuspüren. Gleichzeitig erhält er einen zweiten Auftrag vom Nachbarn Neuper. Der ist von einer Unbekannten attackiert worden, außerdem wurde ihm vor Jahren das Boot abgefackelt. Glamser soll die Schuldigen finden. Zudem ist auch das Haus von Emma kürzlich abgebrannt. Das ist zusammen einigermaßen verwirrend.

Ungewöhnliche Fälle verlangen nach ungewöhnlichen Ermittlern: Glamser ist – um es vorsichtig auszudrücken – ein eigenwilliger Zeitgenosse. Er ist Fan von SW Bregenz, liefert sich mit gegnerischen Fangruppen gern auch mal eine Schlägerei. Der harte Junge hat aber auch Gefühl: Sein Meerschweinchen Mini herzt und bemuttert er mit immer frischen Salatblättern. Die Beziehung zu seiner Frau Herta ist so lala, sie fängt zu arbeiten an, was den Macho Glamser natürlich stört. Dazu ist unser Ermittler ein bisschen schizophren. Sein zweites Ich heißt Joe. Joe ist sein bester Kumpel.

Mit seinen nicht sehr logischen Ermittlungsmethoden hätte Glamser bei der Kripo wahrscheinlich keine sehr gute Figur gemacht. Er führt verwirrende tiefenpsychologische Interviews mit den Verdächtigen, die er brav in den Computer tippt, aber nicht konsequent auswertet, auch weil Glamser auf komische Fragen naturgemäß komische Antworten erhält. Er verliebt sich in seine Auftraggeberin Emma, die der Spanner Glamser beim Sex beobachtet. Sie sagt zu ihm: „Du bist der Vater, den ich nie hatte.“ Als Emma und Glamser verfolgt werden, notiert er zwar das Kennzeichen des sie verfolgenden Autos, vergisst aber später, den Fahrzeughalter zu ermitteln.

Glamser träumt und immer wieder dreht sich die Geschichte um dieses dem See und der Sippe ausgelieferte Mädchen, um die Augen des Mädchens, die ihn an Emma erinnern. Schlussendlich tauchen ein König und eine Prinzessin im Zauberwald auf. Glamser scheint das Heft des Handelns aus der Hand zu geben, wird zum Beobachter und Deuter des Kriminalschauspiels, das sich vor ihm auftut. Am Ende hat Glamser nichts und damit alles aufgeklärt.

Seelendschungel ist ein originelles, ein verrücktes Buch, chaotisch zumal, dabei stets spannend. Wer einen geradlinigen Kriminalroman erwartet, wird von den blinden Motiven in die Irre geführt. Es gibt einen Kriminalplot, aber es geht um mehr, wie auch der Titel verheißt. Wankos Erzählstil hat etwas sehr Lebendiges: mal schroffe Dialoge, mal Derbheiten, mal schöne poetische Beschreibungen.

Schlampig ist nur das Lektorat, leider haben sich einige ärgerliche Rechtschreibfehler ins Buch geschlichen.

Mal sehen, ob eine Fortsetzung folgt. Dieser Glamser ist ausbaufähig!

Seelendschungel. Ein Erich Glamser-Roman.
Wies: Edition Kürbis, 2006.
198 Seiten, broschiert.
ISBN 3-900965-28-5.

Rezension vom 03.05.2006

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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