Als Schauplatz der zwischen Utopie und Dystopie oszillierenden Geschichte fungiert eine unbenannte tropische Insel, an deren Ufer die namenlose Protagonistin erwacht. Die Erzählung verschweigt ihre Herkunft und Identität und lässt uns über Alter und Aussehen im Dunkeln. Der Logik einer Robinsonade folgend, begibt sich die Gestrandete nach der Bewusstwerdung ihrer Lage an Land, errichtet aus den Trümmern eines verfallenen Hauses eine neue, festere Wohnstatt, geht auf die Jagd und schließt Freundschaft mit einem Languren. Nach und nach erkundet sie das fremde Eiland und ist überwältigt von dessen unberührter Natur: „Noch nie hatte sie so ein leuchtendes Grün gesehen. Überall wucherte es, Orchideen wuchsen in den Bäumen […]. Es gab hier so viele Arten von Vögeln, dass sie irgendwann aufhörte, ihre Stimmen zu unterscheiden.“
Aus diesem Garten Eden, in man den heilbringenden Geist seines Schöpfers allenthalben zu spüren scheint, bricht die Frau eines Tages nach Norden auf, wo sie Menschen und Siedlungen vermutet. Erinnerungssequenzen und Träume wechseln einander ab und strukturieren den Fortgang der Handlung, die nicht linear erzählt wird und in mehrere Kapitel und Kleinstabschnitte zerfällt. Nicht sofort ist bei der Lektüre ersichtlich, worauf diese ebenso moderne wie anspruchsvolle Form der Darstellung hinauswill. Allmählich wird aber klar, dass dieses Bild des Friedens nicht von Bestand sein kann. Das überraschende Auftauchen eines Mädchens mit einer Hibiskusblüte, das ebenso plötzlich verschwindet wie ihr enigmatischer Liebhaber in weißem wallendem Gewand, deutet darauf hin, dass Veränderungen eintreten, deren Folgen nicht abzusehen sind.
Als schließlich die Bewohner eines Dorfes übereinander herfallen und ihre Hütten in Brand gesteckt werden, wird klar, dass die Ära unschuldigen Zusammenlebens vom Übel des Krieges abgelöst wird. Ein Bruch geht durch das Dorf und die Insel, die sich nun in einen martialischen Norden und einen friedfertigen, von der Protagonistin bewohnten Süden aufteilt. Aufgehängte Leichen, verkohlte Schädel und maskierte Krieger läuten den Rückfall in die Barbarei ein. Hinter den Mauern ihrer selbst errichteten Festung verschanzt, sieht die Protagonistin ihrem sicheren Ende entgegen.
Parallel zum manifest gewordenen zivilisatorischen Rückfall bahnt sich schleichend eine rätselhafte Umweltkatastrophe an: „Zuerst waren es die Blüten, die verblassten und schließlich ihre Farbe verloren, dann waren es die Blätter, die sich schwarz färbten und abbrachen.“ Tod und Zerstörung machen sich breit und vernichten alles Leben auf dieser einst blühenden Insel, deren Artenvielfalt und schillernde Farbenpracht die Autorin mit eindringlicher, emotionsloser Präzision beschreibt, wobei die Erzählerstimme offenlässt, ob das bisweilen surreale Geschehen nicht etwa als Ausgeburt einer Traumphantasie zu begreifen wäre.
Doch vermutlich bietet gerade diese offene Lesart die Möglichkeit, Schwerer als das Licht als ökologische Parabel zu deuten, die nur allzu viele Anklänge an die globale und vor dem Hintergrund steigender Temperaturen brandaktuelle Umweltkrise erkennen lässt. Und diese scheint, zumindest in Raichs Roman, ausweglos, unterlässt es die Autorin doch, die herrschende Endzeitstimmung durch optimistische Töne zu unterlaufen. Denn in Wahrheit tragen die Insulaner den uralten Makel des Krieges in sich, stürzen damit Menschen, Tiere und Pflanzen ins Elend und besiegeln in der Folge das Schicksal der Protagonistin. Ihr bleibt als vergeblicher Trost lediglich die Erinnerung an eine intakte Natur, deren Existenz nicht in mythischer Ferne liegt, sondern von ihr noch sinnlich und leiblich erlebt wurde: „Wie kann es all diese Farben gegeben haben, diese Gerüche, all diese Schönheit, versteckt noch im allerkleinsten Detail […]?“
Wenn Raich, deren Text an keiner Stelle den aufdringlichen Charakter eines Manifests annimmt, den verlorenen Glanz und Zauber einer intakten Umwelt und deren biologische Vielfalt bilderreich beschwört, dann können Melancholie und Zorn aufkommen. Zugleich aber mag sich der Wunsch einstellen, alles daranzusetzen, um die verbliebene Schönheit der Biosphäre zu bewahren. In diesem Sinne wäre diese von leiser Wehmut getragene Prosa als Plädoyer zu verstehen, ja als Aufforderung, und zwar vor allem: Schwerer als das Licht weiterzuempfehlen und weiterzureichen. Es ist dies nämlich ein Roman unserer Zeit, und es bleibt zu hoffen, dass sich auch die Zeit reif für dieses relevante Buch erweist.