#Anthologie

Schwarzer Freitag

Martin G. Wanko

// Rezension von Peter Landerl

Es gilt, sich im momentan an Verlagsauflösungen reichen Österreich über die erste belletristische Publikation des revitalisierten Verlags Forum Stadtpark zu freuen: Schwarzer Freitag heißt die von Martin G. Wanko herausgegebene Anthologie von Texten, die für Lesungen im Forum Stadtpark geschrieben wurden. Im mit „Literatur im Zeichen der Ökonomie“ betitelten Vorwort schreibt Herausgeber Wanko: „Der Literat stirbt in dem Moment, in dem man das Buch in der Hand hält – lebt er doch in seiner erschaffenen Welt weiter. Warum und unter welchen Umständen sollte man sich die Existenz des Autors ins Gedächtnis rufen, wann zahlen sich Lesungen aus?“

Der wichtigste Grund, warum es Lesungen gibt, ist – so Wanko – das Geld: „Auch Literaten brauchen Kohle, durch Lesungen verdienen sie wenigstens einen Bruchteil dessen, was sie in Form von Zeit und Energie in ihr Oeuvre investiert haben.“ Das impliziert, dass der Autor in erster Linie liest, um Geld zu verdienen und nicht, um sein Publikum zu unterhalten. „Fürwahr, da ist was dran!“, möchte man als regelmäßiger Lesungsbesucher zustimmen: Nicht eben wenige „traditionelle“ Lesungen sind langweilig. Wanko: „Wir im forum stadtpark haben uns entschlossen, in den nächsten Jahren aus keinem Buch lesen zu lassen. Aus keinem neuen, keinem alten, und trotzdem Literatur zu machen. Das Zauberwörtchen heißt: Auftragstexte, themenbezogene Auftragstexte.“

Das Thema Schwarzer Freitag macht die eine Hälfte des Buches aus. Stefan Alfare eröffnet mit einem etwas unrund wirkenden Text über einen Absteiger den Band, Christoph W. Bauer setzt mit einem kurzen Lyriktext fort und übergibt an Xaver Bayer, dessen schlicht „Freitagskurs“ betitelte Geschichte einen ersten Höhepunkt des Bandes liefert. Warum? Bayer erzählt in einem über mehrere Seiten laufenden, im Konjunktiv gehaltenen Satz den möglichen Verlauf eines Abends mit nicht eben sympathischen Kurskollegen in einem Irish Pub: ein gehässiger, klarer, gefinkelter Text.

Peter Glaser beweist in „Zwei von uns“, dass er nicht zu Unrecht den Bachmannwettbewerb gewonnen hat: Zwei Männer unterhalten sich, sehen fern, reden, insgesamt passiert recht wenig, doch steckt viel in dem kurzen Text. Wilhelm Hengstler erzählt in seinem flotten Text mit apokalyptischem Ende von Reichtum, Sex, Elend und Gewalt. Skurriles bietet Christoph Huemer. Der dritte Satz seiner Erzählung „Flammarion“ lautet: „Mein Großvater war im Salzburger Flachgau von einem Börsenmakler erschlagen worden, der nachweislich in New York aus einem Fenster des 66. Stocks gesprungen war.“ Muss man noch hinzufügen, dass der Großvater Pfarrer war und den „Oberacher Rhabarberkrieg“ ausgelöst hatte?

Nüchtern analysiert Hanno Millesi die Begriffskonstellation „Schwarzer Freitag/Depression/New Deal“ der amerikanischen Zwischenkriegszeit, Kathrin Resetarits erzählt in ihrem etwas eindimensionalen Text „Einer wird gewinnen“ von einem, dem Glück und Erfolg stets zur Seite stehen. Martin G. Wanko schließt den ersten Teil des Buches mit der Erzählung „Tritsch Tratsch“, die um den aus einer Bankenwerbung bekannten Satz „Geld macht glücklich, wenn man rechtzeitig darauf schaut, dass man’s hat, wenn man’s braucht.“ gebaut ist.

Die Mitte des Buches ist erstes Ende und zweiter Anfang zugleich. Man drehe das Buch um 180 Grad, blättere zurück an den Anfang und lese den zweiten Teil mit dem Titel: „Über dem kontrollierten Himmel“. Thomas Ballhausen analysiert in seinem Essay die Parallelen zwischen der aktuellen Kriegsberichterstattung und jener aus dem Ersten Weltkrieg, weist auf die Verknüpfung von Medien, Unterhaltungsliteratur, Werbung und politischer Einflussnahme unter militärischen Vorzeichen hin. So berichtet er u.a., dass die Kommandobrücke des US-Kriegsschiffes U.S.S Colorado von einem Disney-Designer gestaltet wurde und zitiert: „Dort herrschen gänzlich unmilitärische Bedingungen: flache Hierarchien am runden Konferenztisch, warme Beleuchtung und komfortable Sessel. Zweck der Wohlfühl-Atmosphäre: in angenehmem Ambiente eine entscheidungsfreundliche Atmosphäre schaffen.“ Kommentar überflüssig.

Günter Eichberger kommentiert in „Der fünfte Himmel“ eine aus Muhammad Alis Kampf gegen George Foreman und Musikvideos zusammengeschnittene Videocollage. Petra Ganglbauer malt 14 Bilder von Gewalt, Gerhard Jaschke kreist zwischen Zitaten von Oswald Wiener, Walter Serner, Arno Schmidt und Georg Christoph Lichtenberg um die Frage, wie angesichts der vielen Welten, die täglich von den Medien konstruiert werden, ein Leben in dieser, unserer einzigen Welt funktionieren kann. Auch Andrea Sailer beschäftigt sich mit dieser Frage: „Schlagzeilen! Her damit! Schlagt zu! / Schlagt auf uns ein, wir haben keine Schmerzen / Erzählt ihr doch von anderen Geschlagenen / Es sind nicht wir, die bluten müssen!“

„Frische Texte“ versprach Herausgeber Wanko im Vorwort. Diese Vorgabe ist gelungen. Erstaunlich, welch unterschiedliche Texte die einzelnen Autoren zum gleichen Thema produziert haben.

Was dem Buch fehlt, ist natürlich die musikalische und videotechnische Umrahmung der Lesungen im Forum Stadtpark, eine Leerstelle, die sich besonders bei Eichbergers Text bemerkbar macht. Ansonsten ist der Band eine kurzweilige Textsammlung österreichischer Autoren der jüngeren Generation und die Bestätigung für das Forum, dass Lesungen mit Auftragstexten funktionieren können.

Schwarzer Freitag.
Anthologie.
Hrsg.: Martin G. Wanko.
Graz: Verlag Forum Stadtpark, 2005.
116 Seiten, broschiert.
ISBN 3-901109-11-0.

Rezension vom 12.01.2006

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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