Man könnte nun einwenden, dass das auch im vorliegenden Band nicht wirklich der Fall ist. Tatsächlich vermisst man den einen oder anderen Beitrag, der sich dem Thema theoretisch und im Überblick nähert. Lässt man sich auf die Konzeption ein, die sich darauf beschränkt, elf – ausschließlich männliche – Radioautoren und -gestalter vorzustellen, erhält man aber neben genauen Personenporträts auch eine Fülle an allgemeinen Informationen zur Entwicklung des Rundfunks und dem unterschätzten Verhältnis Schriftsteller und Rundfunk.
Der erste Beitrag zu Gerhart Hauptmann (Michael Schaudig) scheint auf den ersten Blick verwunderlich: Hauptmann war 60 Jahre alt als der deutsche Unterhaltungsrundfunk seinen Sendebetrieb aufnahm und hat selbst keine radiophonen Arbeiten vorgelegt. Aber der Forschungsansatz des Bandes ist breiter gesteckt. Die übersichtliche Darstellung zum Verhältnis Werk /Autor / Sendetyp, die eine vierzehn Punkte umfassende Typologie entwickelt, zeigt den differenzierten Ansatz zum Thema Autor und Hörfunk, der allen Beiträgen zugrundeliegt. Im Falle Gerhart Hauptmanns konzentriert sich das Beziehungsgeflecht auf die Hörfunkadapationen seiner Dramen – in den ersten zehn Jahren Radiogeschichte wurden 66 verschiedene Adaptionen von 20 seiner Stücke realisiert – und Hauptmanns Hörfunkreden, die er auch nach 1933 fleißig fortsetzte.
Gemeinsam ist den Beiträgen eine ausschließliche Fokussierung auf den deutschen Hörfunk – West und Ost. Neben Hörfunkautoren der älteren (Hans Rothe, Dieter Wellershoff, Erich Loest, Horst Bienek) und jüngeren Generation (Hartmut Geerken, Peter Faecke, Joachim Walther) und einem Interview mit Martin Walser über seine Arbeit für den Süddeutschen Rundfunk 1949 und 1957 stehen auch Porträts von Autoren, die sich vor allem als Gestalter in die Radiogeschichte eingeschrieben haben. Ernst Schnabel etwa, langjähriger Intendant des NWDR Hamburg, der, beginnend mit der Entdeckung von Borcherts „Draußen vor der Tür“, dem Literatur- und Feature-Programm seines Senders ein herausragendes Niveau verlieh. (Dass Schnabels Karriere als junger Autor im Nationalsozialismus begann, wird – absolut wertungsfrei – kurz referiert.). Werner Koch, Gründer des ersten Kulturmagazins „Spektrum“ im deutschen Fernsehen, das er bis 1965 leitete, deckt im Band den Bereich Fernsehen ab, wiewohl einige andere der vorgestellten Autoren ebenfalls für das Fernsehen tätig waren. Allen elf Beiträgen beigegeben sind umfängliche Mediografien, die, was Sorgfalt und Differenziertheit betrifft, Standards setzen für künftige medienübergreifende Forschungsarbeiten. Wer je Daten von Rundfunksendungen recherchiert hat, weiß die Mühe, die hinter dieser Arbeit steckt, zu schätzen.