#Lyrik
#Prosa

Schön und gut

Christian Futscher

// Rezension von Markus Köhle

Diverse Vorhaben.

Nein, bloß kein auf das Buch bezogenes „Schön und gut“-Wortspiel. Ja, besser ganz gewöhnlich beginnen. Zum Beispiel einfach drauflos plaudern, eröffnen, dass man gestern das neue Buch von diesem seit Jahren brav verrückten Wiener Vorarlberger Schriftstellerheurigenkellner gelesen, ja es gar in einem Zug verschlungen habe. Genau, von dem mit den bellenden Möpsen, der erzählenden Adler und dem, äh Nidri oder so. Am besten einfach locker wiedergeben, was so hängen blieb von der Lektüre. Dabei möglichst willkürlich und subjektiv vorgehen – und jetzt gleich mal ein Zitat:

Mangelnde Arbeitsmoral
Bevor ich dem arbeitstier
das mich zur arbeit anhalten wollte
eine Ohrfeige gab
spuckte ich mir in die Hände
(S. 154)

Jetzt kann’s losgehen, so sei denn losgesprudelt: Der sympathische Ich-Erzähler stellt regionale Varianten für amüsant direkte Sexualaktaufforderungen vor, er gibt preis, dass Lyriklektüre bereits bei einer Trefferquote von 2 aus 200 lohnt und wie erfüllte Nachmittage zu zweit für ihn ausschauen bzw. ausschauten: Rauchen, Trinken, Sitzen, dann und wann das Fenster öffnen und glücklich sein. Freilich, da schwingt Wehmut mit, denn das Ich ist vom Beruf Blödgeschichtenerzähler, ist in dieser Funktion immer im Dienst und außerdem mittlerweile aktiv erziehender Vater, der vom alltäglichen Kleinkinderscheiß, von den Höhen und Tiefen des Kleinfamiliendaseins immer mal wieder die Nase voll hat. Das Ich glaubt zu wissen, dass es durch die Stammwirtenabstinenz absolut nichts versäumt, hat aber doch damit zu kämpfen. Kleinere Probleme stellen da der Zwist zwischen Hygiene- und Sexualaktivität, die Frage warum Pinguine neuerdings vermehrt ins Kloster gehen und eines Vaters Sohnzukunftsvisionen dar.
Nein, das ist bei weitem nicht alles. In diesem mit Diverse Vorhaben untertiteltem Buch steckt noch allerhand. Schön und gut ist randvoll mit vielen kurzen, pointierten, zumeist sehr lustigen Texten. Witz klingt so abschätzig, also seien die Dinger ausgefeilte Prosaminiaturen mit lyrischen Einsprengseln genannt und diverse andere in Sinn und Form gebrachte Verschriftlichungen kommen auch nicht zu knapp vor, die da wären: Grabstein-, Fahrplan-, Ansichtskartenabschriften, Kürzestdramen, fixe Ideen in Listenform, etc., etc.
Die Vorzüge von konsequent praktizierter Zivilcourage (im Bus und der Tod folgt auf den Fuß) und penetranter Höflichkeit (im Umgang mit einsamen Menschen mit Hund) werden anschaulich vorgeführt und mögen Parabeltauglichkeit haben. Selbstkritische Schüttelprosabratsequenzen im Lokal „ich weiß, dass es am Westen bär‘, den Hund zu malten.“, erheitern schlicht und ergreifend und die Provinztristesse und Landbrutalität am Beispiel Poldi Platt aus Glötsch erschüttert im selben Maße.
Die Freundschaftsfreudenschüsse im Morgengrauen mit Polizist Markus rühren, die präsentierte nüchtern moralische Abschwächung für das Sich-Betrinken trifft: „sich schwächen“. Und überall schlägt die Literatur durch, da wird eine Buchstadt herbei gesehnt, sind die Gastwirtschaftsepisoden vollgefüllt mit hochgradig Literarischem, Zitate geben den Ton an und Buchtitel das Motto vor. Und dann noch so viele gute Vorhaben und so viele schöne Ausreden (ojeh, jetzt ist es doch passiert!)

Es bleibt die Selbsterkenntnis am Schluss:
immer wenn ich
halblustig bin
weiß ich
dass ich aufhören sollte
(aus: Die Rakete, S. 85)

Futscher beherrscht die hohe Kunst der guten (dieses Wort ist an dieser Stelle nicht zu ersetzen!) Unterhaltung und platt, oberflächlich bzw. tief im Sinne von grindig ist da gar nichts.

Christian Futscher Schön und gut
Kurztexte.
Graz, Wien: Droschl, 2005.
176 S.; geb.
ISBN 3-85420-682-8 .

Rezension vom 06.12.2005

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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