Zunächst handelt Aspetsberger hier von einem Problem, das sich höchster geistesgeschichtlicher Dignität erfreut, dem Verhältnis von Kultur und Natur nämlich, und nachdem er festgestellt hat, dass die Rede über die Natur immer auch ein Element der Kultur sei, kommt er übergangslos auf die Beziehung zwischen Kunst und Geld zu sprechen. Bei diesem nicht ganz so erhabenen Thema liegt der Gemeinplatz nahe, die Kunst richte sich immer nach dem Geld. Aspetsberger umgeht ihn, indem er die übliche Argumentationsrichtung umkehrt:
„Das Geld will, so schaut es aus, die Kultur nicht mehr finanzieren, sondern nur sich selbes, wahrscheinlich weil dann nicht mehr umgerechnet werden muss und, wenn schon nicht die Liebe, so doch der Schatz erhalten bleibt (gemeint ist die liebe Agape). Dabei ist das ’nur‘ auch eine psychologische Frage. Es zeichnen sich Ängste deutlich ab. Zum Beispiel an den Preisen für die Werke der bildenden Kunst, die in der Lage ist, das Geld zu kaufen: denn was sollte an dem jüngst aus dem Innviertel, wo er in einem dunklen Klostergang gehangen ist, zu Sothebys gegangenen Rubens 77 Millionen Euro wert sein? Das Geld misstraut sich augenscheinlich und verkauft sich und ist wenig wert im Vergleich zur Kunst, selbst zur alten.“
Verstanden? Wenn nein, empfiehlt sich eine Relektüre; als Verständnishilfe sei nachgereicht, dass Aspetsberger die möglicherweise leicht verschrobene Angewohnheit hat, das Wort „selbst“ zu deklinieren („sich selbes“), und dass die altgriechische Vokabel „Agape“ im Duden mit „schenkende Nächstenliebe“ übersetzt wird. Alles weitere müssen aspetsbergertaugliche Leser und Leserinnen schon selbst (oder „selben“) herausfinden.
Leicht zu konsumieren sind Friedbert Aspetsbergers Essays also nicht. Dabei verkündet der Titel des Bandes nichts Komplizierteres als „Drei mal gute Literatur“ und die Autoren, um die es dabei geht, Arthur Schnitzler, Thomas Bernhard und Robert Menasse, zählen nicht zu den ganz und gar dunklen Vertretern der schreibenden Zunft. Allerdings stellt sich im Lauf der Lektüre bald heraus, dass sich Aspetsberger nicht für die offen zu Tage liegenden Qualitäten seiner drei Autoren interessiert, sondern für die Produktivitätsquellen, die in den Texten verborgen, aber dennoch wirksam sind.
Er bedient sich zu diesem Zweck eines durchtriebenen Argumentationsmusters, das deutlich an die so genannte „Dialektik“ erinnert, die in früheren Zeiten die Königsdisziplin linker Meisterdenker war, während sie heute eher ein Schlupfwinkeldasein zwischen den Zeilen führt. Schon die Begriffe, mit denen Aspetsberger seine drei Autoren charakterisiert, werden nur zum Kompliment, wenn man sie dialektisch gegen den Strich bürstet. Wenn er Schnitzler als „Umstandsmeier“ oder Bernhard als „Angeber“ bezeichnet, erweckt das zunächst nicht den Eindruck, er wolle diese Autoren loben. Im Text stellt sich dann aber sehr wohl heraus, dass Aspetsberger die ‚umständliche‘ Sorgfalt schätzt, mit der Schnitzler seine psychologisch-literarischen Fallstudien motiviert und ausleuchtet. Und die „Angeberei“ Bernhards stellt er nicht als psychischen Defekt des Autors dar, sondern als altehrwürdiges Kunstmittel: Mit Hilfe einer tradierten Rhetorik der Überhebung, der „Superbia“, gelinge es dem Dramatiker Bernhard immer wieder, eine exklusive Gemeinschaft zwischen den Darstellern auf der Bühne und dem Publikum zu etablieren.
Menasse schließlich, der „Entgeisterer“, wird porträtiert als Intellektueller, der auf der Höhe der medialen Möglichkeiten seiner (unserer) Zeit ins politische Geschehen eingreifen kann. Dies, so meint Aspetberger, gelinge Menasse vor allem dadurch, dass seine Meinungsäußerungen immer auch Performances seien. Das Wissen um den möglichst wirkungsvollen Auftritt, das bei manchen Kritikern Zweifel an Menasses Seriosität weckt, wird also von Aspetsberger ausdrücklich gelobt. Und positiv hebt er auch hervor, dass Menasse „immer gescheiter als liebenswert“ sei. Wie gesagt, hier ist ein Dialektiker am Werk, dem unter der Hand der Nachweis gelingt, dass gute Literatur durchaus nicht die Frucht lobenswerter Eigenschaften sein muss. Ein Angeber kann sie gerade so produzieren wie ein Umstandsmeier – und dem scheinbar eitlen Selbstdarsteller können substantielle Beiträge zur politischen „Entgeisterung“ Österreichs gelingen.
Würde Friedbert Aspetsberger als freischwebender Intellektueller in Wien leben, nähme die kulturell interessierte Öffentlichkeit seine scharfsinnigen, witzigen und unbedingt originellen Essays vielleicht mit demselben Interesse wahr, das sie den Arbeiten Franz Schuhs oder eben Robert Menasses entgegenbringt. Da Aspetsberger jedoch als Germanistikprofessor an der Universität Klagenfurt arbeitet und seine philologische Kompetenz auch nirgends verleugnet, wird sein neuer Essayband wahrscheinlich unter der Rubrik „Germanistische Fachliteratur“ abgelegt – was so viel heißt wie: von der nicht-germanistischen Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen. Da Aspetsberger den „Hochmut“, den er als literarische Strategie Thomas Bernhards beschreibt, wahrscheinlich auch selbst besitzt, wird er auf den Applaus eines breiteren Publikums keinen übermäßigen Wert legen. Aber der intellektuellen Szene täte es gut, wenn sie diesen so brillanten wie eigensinnigen Essayisten etwas sorgfältiger zur Kenntnis nähme. Der Band Schnitzler Bernhard Menasse bietet dazu die schönste Gelegenheit.