#Lyrik

schneeläufer

Christiane Janach

// Rezension von Helmuth Schönauer

Die erste Botschaft, die dem Leser beim Öffnen des Buches ins Auge springt, ist die Zweisprachigkeit, mit der die Texte dargeboten werden. Auch wenn man die Übersetzungen ins Slowenische aus Sprachunkenntnis nicht versteht, ist es beruhigend zu sehen, daß dieser Sprache Platz eingeräumt wird, daß es genug Zeit gibt, einen Text in eine andere Sprache zu übersetzen. Und es liegt das schöne Motto über dem Buch: Die zweite Sprache ist der Spiegel, mit dem die erste gepflegt werden kann.

Christiane Janach hat ihre Gedichtesammlung in drei Abschnitte gegliedert, „das kriskindl fom russnkanal“, „die erbauungslieder“ und „der eissee“.
Der erste Teil ist „in Mundart geschrieben“, beim laut Lesen verblüfft die Härte des Inhalts, die dem weichen, sympathisch auf Zuwendung bedachten Dialekt aufgesetzt ist. In den Gedichten geht es um das mehrdeutige Aufhängen von Weihnachtsengeln, einen Vater, der als schwarzer Jaguar vorfährt und das Kind schlägt, und überhaupt um den Himmel über der Gasse, der sich vor der Haustür aufgehängt hat.
„ea hot sich woascheinlich / faseentlich / in ana fon de fil zu schpizzign / feanseantennan faheddat? (S. 11)

Im zweiten Teil wird das sogenannte Positive vorgestellt. Aber die Erbauungslieder sind ironisch gemeint, wenn man etwa an einen Auszählreim denkt, bei dem alle auf der Strecke bleiben.
Höhepunkt dieses Abschnittes ist sicher ein Militärmarsch für zwei Bläser, in denen auch die Wörter Humpf und Dumpf oder so ähnlich als geblasene Sequenz vorkommen. „täterhmpfta / da hmpfta / da schtmpf da dmpf“ (S. 45).
„heimatlied für borkenkäfer“ und „todesmarsch für gehirnzellen“ zeigen schon im Titel, daß in der Hülle des Patriotismus plötzlich scharfe Wörter mit der entsprechenden Gebrauchsanleitung verpackt sind.

Im „eisigen“ dritten Teil stehen Balladen mit tödlichem Ausgang. In einem Text, der an die Lektüre des Erlkönigs anschließt, erfrieren Vater, Mutter und Kind an den spitzen winterkalten Beziehungen zu- und untereinander (Winternacht I, II, III).
„narrenschiff I und II“ heißen Gedichte, in denen es um die richtige Deutung der Realität geht. Warum kann ein Krankenhaus nicht ein Schiff sein, wenn es eines ist, fragt das Kind logisch richtig. „am narrenschiff / sind alle menschen umgedreht“ (S. 79) versucht jemand das Kind zu beruhigen, aber es ist schon zu spät.

In einem Nachwort mit dem Titel „Die Vergeltung des Erdapfels“ erzählt die Autorin vom Unausgesprochenen, das während der Kindheit ständig in der Luft lag. Das Wahlgeheimnis ließ vermuten, daß die Mutter etwas Unkeusches wie etwa die ÖVP gewählt habe. Gegenstände drückten jeweils eine geheime Geschichte aus. Und am Beispiel der Triebe des Erdapfels zeigt sich, wie im Land miteinander und untereinander umgegangen wird: Die Triebe sticht man aus!

Christiane Janachs Gedichte gehen unter die Haut, weil sie wie ein wohltuendes Gel zuerst Zustimmung auslösen und erst nach einer genau bemessenen Zündzeit die wahre Botschaft aufsprengen: In den Adern fließt zuweilen eiskaltes Winterblut!

Christiane Janach schneeläufer
gedichte / pesmi.
Ins Slowenische übersetzt von Sonja Wakounig.
Klagenfurt / Celovec: Drava, 1999.
87 S.; brosch.
ISBN 3-85435-317-0.

Rezension vom 06.11.2000

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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