Nach sieben Jahren, in denen er neben einem Essayband über jüdische Leit- und Leidensmotive seinen zweiten großen Roman, „Der Kalte“ (2013), veröffentlichte, kehrt Robert Schindel mit der lyrischen „Scharlachnatter“ zurück in seine »Herzzone«, und zwar mit kleinen Liebesgedichten, poetologischen und sprachreflexiven Versen sowie – im weitesten Sinn – mit Existenzial- und Naturgedichten.
Beim Buchtitel, der „Scharlachnatter“, bedient sich Schindel einer Wortfindung Oscar Wildes in dessen Tragödie „Salome“, in der er den Zusammenprall schrankenloser Selbstsucht und unbedingten Geschlechtstriebs mit religiösem Fanatismus aufdeckt, oder anders gesagt, ein Labyrinth von Abgründen der menschlichen Natur beschreibt.
Robert Schindel hat im neuen Band – formal gesehen – große Poeme und kleinere Einheiten versammelt. Es sind Zungengeburten, kunstvoll zur Welt gebracht, und von zwiegeschlechtlichem Wesen: erotisch-musikalisch und durchsetzt von bitterer Lebenslust, geistesgegenwärtig und doch gedankenvoll, müde und schlaflos, hinhörend und stürmisch, bewölkt und immer auch sonnenklar – um nur einige der Gegensätze zu nennen, zwischen denen der Dichter ruhelos und rühmend seine Bahnen zieht, bis vielleicht nur noch das »Echo eines Trillers« (S.42) vernehmbar ist und er „Bitter in meiner Lebenslust“ (S.39) bleibt, jedoch einer Bitterkeit aus seinem lyrischen „Zartgarten“ (S.41).
Festgehalten sei, dass der Dichter Robert Schindel eines immer sehr frei angewendet hat, nämlich den allgemeinen Sprach- und Wortgebrauch. Lieber sucht er »das Wort in welchem was sei« (S.18). „Fahre frühmorgens heraus aus dem Traum“ (S.15), vielleicht entsteht dort sein „Terzsturz“ (S. 18): „In meinem Traum im Schrei/ Inmitten der Menschenmenge/ Bered ich das Einerlei“ (S.18). Sprache bedeutet ihm zweierlei, einerseits Beschwörungsakt und andererseits Einander-Verstehen, was auch in der „Scharlachnatter“ verbalisiert wird. Er wehrt sich mit seiner Lyrik gegen die Sprachlosigkeit, gegenwärtige Bedrohungen und vergangene Gräuel.
Daneben mäandern in den Versen Sinnlichkeit und Lebenslust, sie platzen geradezu aus den Versen, wie kaum bei einer österreichischen Lyrikerin oder einem Lyriker. Hier sind wir Lesezeuginnen und -zeugen der dichterischen Kreativität, deren Beweis nicht nur seine Neologismen sind. Hier verfällt er in Balladenparlando und dort in die Celan-Reduktion – aber nicht als später Nachahmer, sondern als Dichter, der weiß, dass er in einer Tradition steht und stehen will. Nicht von ungefähr ist Robert Schindel insgesamt ein melancholischer und zärtlicher Gedichteschreiber, der das Dativ-E und die großen Buchstaben am Versanfang ganz bewusst einsetzt.