Wien: Schauplatz der Liebe
Eigentlich behandelt der Roman – zwischen der ersten Begegnung mit Edith in der Stadtbücherei und dem gemeinsamen Konzert in der Arena, dem Showdown der Liebesgeschichte bevor es zum plot twist kommt – nur zwölf Stunden im Leben des Erzählers. Dieser spricht sich selbst im inneren Dialog mit „Du“ an oder nennt ihn – den anderen – „seinen Körper“. Der Protagonist begleitet seinen Körper durch Wien, zum Musikvereinssaal, der Stadtbücherei am Gürtel oder durch das Servitenviertel. Wien sei wohl die einzige Metropole, die ein Kaff bleibt, denkt er sich so nebenbei und erweist dabei vielen seine Reverenz, etwa Günter Brus und seinem Wiener Spaziergang im Jahr 1965. Oder Gert Jonke, durch dessen Werke der Romanheld in der Stadtbücherei am Wiener Urban Loritz Platz Edith kennenlernt, sie arbeitet dort als Verleiherin und es entsteht ein Dialog über Bücher zwischen ihnen. Er heuchelt vorerst Desinteresse, um sie dann dennoch unverhohlen nach Sex zu fragen. Damit verpfuscht er sich seinen Auftritt und auch seine Gert Jonke Kenntnis, mit der er vorerst bei Edith punkten konnte, verblasst in ihrer Wirkung. Andere Verweise führen zu Heinz von Foersters „2×2=grün“ oder Bud Spencer’s berühmten „Stereowatschen“, deren Klangspektrum durch gefrorene Hühner, die auf einen Steinboden geworfen wurden, entstanden sei. Auch Darth Vader und Nirvana spielen eine Rolle, besonders aber die Geschichte von Peter Bichsel, in der ein Mann einen Stuhl Tisch nennt und einen Tisch Schrank. Denn auch in der Welt von „Sanfter Asphalt“ verstehen sich die Menschen nicht so gut, obwohl sie eine gemeinsame Sprache teilen. „Wie heißt das Zauberwort?“, heißt es an einer Stelle ironisch und natürlich erwartet man ein „Bitte“, aber es folgt ein „Gefälligst!“
Das Herz: ein Prolo
Auch die weltberühmte Sachertorte sei ein solches Missverständnis, denn sie habe sich in die Tortenriege reingeschmuggelt. Sie sei eigentlich ein Kuchen, abgesehen von der Schokoglasur und der Marillenmarmelade sei sie schlichtweg ein Kuchen. Immer wieder wird der Text von Norbert Kröll auch von seinen eigenen Fotos unterbrochen. Auf einem sieht man ein Garagentor, von dessen Aufschrift „Garage“, das „Ga“ abgetrennt wurde. Es bleibt „rage“: englisch für „Wut“. „Despite all your rage, you’re still just a rat in the cage„, heißt es in einem Song der Smashing Pumpkins, eine Band, die in den 90ern reüssierte und deren Sänger sich nicht zum Club 27 zählte, anders als der Protagonist in „Sanfter Asphalt“. Denn das ist seine Generation, die auch gerne mal Schwarzfahren mit der Straßenbahn spielt. Die Frauenstimme, die die Stationen ankündigt, kündigt auch die Endstation an. Aber was bedeutet das „Wir sind am Ziel“, frägt sich der Protagonist, dessen Verweigerungshaltung schließlich sogar so weit geht, dass er sich das Konzert mit Edith verpfuscht? Das Herz sei ohnehin ein Prolo, da es sich immer wieder mit aufgeblasenem Ego bemerkbar mache. Bridgmanit sei das am häufigsten vorkommende Mineral der Erde, denkt sich der Protagonist an einer Stelle, aber er selbst sei etwas Besonderes, etwas Einzigartiges, denn sein Herz habe als Fötus am 21. Schwangerschaftstag zu schlagen begonnen. Er will jedoch nicht funktionieren – und zieht sich zurück.
Das Pochen in der Brust
„Ist die polizeiliche Vernehmung etwa Teil der Performance?“ fragt sich ein Schaulustiger bei einer Kunstaktion im öffentlichen Raum. „Das da“, sagt eine andere und zeigt auf das Geschehen, „das ist das wahre Gesicht Wiens“. „Wenn sich etwas gut anfühlt, dann hat es sicher mit dem Teufel zu tun. (…) So lange es mir gleichzeitig Schmerzen bereitet, dann kann es doch keine Sünde sein – „, formuliert Kröll das eigentliche Glaubensbekenntnis der Liebe in einer katholischen Stadt wie Wien. Wien, der Ort an dem alles zur Performance wird, wird auch zum Ort seiner Liebe, denn am Ende ist es genau das Pochen unter den Rippen, das ihn in diese Welt der Wonne zurückbringt.
Ein Roman, der im Winter spielt und dennoch voller Frühlingsgefühle ist: für Frischverliebte und solche die es noch werden wollen.