In einer kleinen Einbegleitung erläutert Gerhard Ruiss sein lyrisches Programm und formuliert bewußt in einem „fast-ex-kathedra“-Stil, was eine strenge und zugleich ironische Aura erzeugt. Die Texte im Hauptteil können als Partituren für Sänger im Bad gelesen werden, als Stoffsammlung eines pedantischen Sammlers von geheimem Liedgut, als Parolenfibel oder lyrische Kommentare zu einem abhanden gekommenen politischen Meta-Gebilde.
Die Texte, fein aufgefädelt wie in der Gitarrenpartitur die Griffe an der Notenschrift, unterwerfen sich der alphabetischen Ordnung. Dieser Mix aus Ordnung in den Überschriften und disparaten Auslegungen von mehrdeutigen Themen führt zu einer recht luftig wirkenden Verkettung von Kausalitäten. Die Überschriften ergeben, fortlaufend gelesen, einen sehr schräg angelegten Übersinn. „Jeder situation gewachsen – jungfräulich – krabbler – kopulierend – kritische intelligenz – kreatives tun – kurzer aufenthalt – lebenslanges lernen“ (S. 63-68) lautet so eine Head-Kette und ergibt für sich genommen schon wieder ein Gedicht.
Auf die Ordnung des Hauptblockes folgt die Unordnung der Skizzen. Allein schon der Titel „sieben oder neunzehn Skizzen“ läßt jede Menge Auslegungen zu. Die Skizzen sind offensichtlich so amorph, daß sie nicht einmal der Autor richtig zählen kann und handeln, soweit sie überhaupt das Ausmaß von Handlungen erreichen, vom Anglerglück, von Formaten, Porträts oder Stadt-Land.
„Ende mit Szenen“ heißt das Schlußkapitel, in dem dramatische Entwürfe vorgestellt werden. Die Dialoge sind so aufgebaut, daß sie dem Ausdruck „eine Szene machen“ immer gerecht werden, die Figuren pudeln sich über alle Maße auf und verdrängen dabei fast den sogenannten Dialog.
Gerhard Ruiss‘ Sänger im Bad sind eine ironische Abrechnung mit den großen Genres Epik-Lyrik-Dramatik. Der Autor hat die Texte als interaktive Gesangskapseln ausgelegt, die überall los gehen können, natürlich auch im eigenen Bad.