#Prosa
#Debüt

Sackgasse

Bernhard Strobel

// Rezension von Peter Landerl

Sackgasse: Selten trifft der Titel eines Buches so genau Inhalt und Stimmung wie dieser. Bernhard Strobel erzählt von Menschen, die an ein Ende gelangt sind: ans Ende einer Beziehung, ans Ende ihrer Hoffnungen, ans Ende ihrer selbst.

Strobel, 1982 in Wien geboren, dort und im Nordburgenland lebend, wird Lesern der Literaturzeitschrift kolik kein Unbekannter sein. Einige seiner neun Erzählungen sind dort zum ersten Mal erschienen. Dass sein Debüt im renommierten Droschl-Verlag erschienen ist, der in letzter Zeit ein gutes Händchen für vielversprechende junge Autoren hatte, ist allein schon als Erfolg für den jungen Autor zu verbuchen.

Strobels Helden sind zumeist junge Männer, sie haben viel Zeit, vielleicht sind es Studenten, vielleicht Arbeitslose. Sie sind träge, sie sind häuslich (fast alle Erzählungen spielen in den eigenen vier Wänden), sie zünden sich langsam ihre Zigarette an, schauen gerne zum Fenster raus in die Weite, die oft eine trostlose ist. Sie sind Helden der Passivität, der Unentschlossenheit, sie denken, bevor sie reden, aber sie schweigen lieber als sie reden. Sie beobachten genau. Oft lässt Strobel sie sagen: „Ich weiß nicht.“ Oder „Ich kann es nicht sagen.“ Obwohl einige Erzählungen in Städten spielen, gewinnt man beim Lesen den Eindruck, sie würden alle in einem namenlosen, halb verlassenen Dorf in der Provinz spielen, an einem sterbensruhigen, stumpfsinnigen Wochenende, bei leichtem Regen. „Es verging einige Zeit, ich wusste nichts mit mir anzufangen, doch nach und nach merkte ich, wie die Lust in mir aufstieg, in diesem Raum etwas zu beschädigen. Den Spiegel zu zertrümmern erschien mir zu einfach, es ist auch nicht meine Art, ich bin nicht brutal.“ So sind sie: unzufrieden, aber zu nüchtern und abgeklärt oder aber auch zu faul zum wirklichen Aus- und Aufbruch.

Wenige Figuren nur montiert Strobel in seine Geschichten, oft genügen ihm zwei oder drei. Sie sprechen miteinander, wie man miteinander spricht im Alltag, aber nicht lange, dann tritt eine Gereiztheit zu Tage (oder ist es Nervosität, Unsicherheit?) und die Figuren beginnen sich wegen Belanglosigkeiten zu streiten. Es sind Streitereien ohne Ausweg. Es steckt mehr hinter diesen insistierend ausgefochtenen Auseinandersetzungen: Vorgeschichten, die unerzählt bleiben. Die Konflikte werden nicht zu lösen sein.

Strobels Erzählungen wirken einfach gebaut: Sie sind relativ kurz, sie sind in einfacher, schnörkelloser Sprache geschrieben, beschränken sich in ihrem Beschreiben auf unspektakuläre Alltagsszenen, Gespräche, Unterhaltungen. Es passiert nichts Weltbewegendes. Es sind Szenen, in denen sich etwas entscheiden könnte. Das verteufelt Gute an Strobels Geschichten ist, dass er es unter der sorgfältig polierten, unauffälligen Oberfläche kräftig krachen und brodeln lässt, dass er die tektonischen Verwerfungen verdeckt, die ein latentes Konfliktpotential darstellen, sie aber den Leser trotzdem spüren lässt. Strobel ist ein gerissener Erzähler. Aus dem einfachen Aufbau der Geschichten irrlichtern Verstörung, Tücke und Verunsicherung. Strobel schafft Spannung aus dem Nichts. Aber nicht nur das nimmt einen für den Autor ein.

In der Erzählung „Was er gesehen hat, hat er gesehen“ etwa ist ein Familienvater schlecht gelaunt und unausgeglichen, mit Tochter und Frau verträgt er sich nicht. Als auch noch die ungeliebte Schwägerin zu Besuch kommt, verlässt er das Haus, geht ins Wirtshaus, wo er an der Bar einen Kaffee trinkt, bis sich sein Nachbar aufdringlich zu ihm setzt, mit ihm trinkt, ihn dabei aber fortwährend provoziert. Einige Seiten lang beschreibt Strobel die Sticheleien des Nachbarn, die Stimmung wird immer unerträglicher, da fällt der Nachbar plötzlich tot vom Barhocker. Erst im zweiten Moment wird einem die grenzenlose Absurdität dieses Geschehens bewusst.

Strobels Erzählungen sind bissige Wölfe im Schafspelz, sie stellen gefinkelt die Frage nach der Sinnhaftigkeit allen Seins – und beantworten sie mit kaltem Nihilismus.

Bernhard Strobel Sackgasse.
Erzählungen.
Graz, Wien: Literaturverlag Droschl, 2007.
125 Seiten, gebunden.
ISBN 978-3-85420-726-9.

Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autor

Rezension vom 24.08.2007

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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