Doch der Reihe nach. Rosina ist 1978 erstmals erschienen und konnte sich der Legende nach trotz guter Kritiken nicht durchsetzen, da ein Computerfehler die Auslieferung der Bücher um drei Monate verzögerte. Walter Kappacher, der kürzlich den Büchner-Preis zugesprochen bekam und dessen Bücher nun – völlig zu Recht – eine erhöhte Aufmerksamkeit bekommen, legt Rosina nun in einer überarbeiteten Fassung vor, ergänzt durch eine kurze Prosaarbeit zum Rosina-Thema, Kommen und Gehen. Abgeschlossen wird der Band noch durch ein Nachwort von Armin Ayren. Die leichte Gefahr besteht nun darin, dass die eigentliche Rosina-Erzählung durch die Einbettung in das quasi-literaturwissenschaftliche Umfeld oder die Unken der Auslieferungslegende ein wenig auf der Strecke bleibt. Zu recherchieren wäre, welche Auslieferung 1978 schon mit Computern gearbeitet hat, aber vielleicht ist diese Fragestellung naiv.
Naiv ist auch die Figur Rosina, eine junge Frau vom Land, die in das Salzburg der 1960er-Jahre kommt, beim Autohaus Fellner als Sekretärin anfängt und sich schnell – nicht zuletzt durch die Tatsache, dass sie die Geliebte des Chefs wird – hocharbeitet. Wer mehr arbeitet ist mehr wert. Ein Credo der Nachkriegsgeneration. Schade allerdings, dass dabei die Person Rosina auf der Strecke bleibt; die Arbeit nimmt rasch überhand und der Chef verliert auch bald das Interesse, die Folge: Überforderung, Alkohol, Stress, schließlich eine Art burn-out in Form eines Autounfalls. Der Bruch mit der Firma, ein neues Leben, die Erkenntnis, eben austauschbar zu sein.
Natürlich spricht Kappacher nicht von modernen Phänomenen wie burn-out oder Depression, das gab es damals weder in der Diagnostik der Psychologen noch im allgemeinen Sprachschatz. Aber genau diese Themen, diese Befindlichkeiten eines Angestelltenalltags, wie sie auch Wilhelm Genazino in seinen Büchern beschrieben hat, diese Ungerechtigkeiten der modernen Arbeitswelt, die beschreibt Walter Kappacher, als nähme er die Entwicklung der kommenden dreißig Jahre in seiner Erzählung vorweg. Das ist das Aktuelle und zugleich Berührende an der Geschichte von Rosina.
Beeindruckend auch die klare Sprache Kappachers, die eigene Zurücknahme des Autors, der nie wertet oder lächerlich macht. Es sind präzise Beschreibungen und Beobachtungen, keine Urteile, die Rosinas Geschichte beschreiben, ein Vorläufer-Schicksal zu den Prekariats-Erfahrungen der heutigen Jugend. Heute muss man nicht mehr vom Land in die Stadt kommen, um zu verelenden, heute können auch die geborenen Städter übergangslos ins Elend kommen. In Kappachers Worten: „Wie viele habe ich nicht schon kommen und gehen sehen in der Firma …“