Die Geschichte des Buches ist lang, allein in der uns vertrauten Codexform reicht sie etwa zwei Jahrtausende zurück, „darunter lang andauernde Perioden, in denen es das unangefochtene Leitmedium war“ (S. 5). Die thematische Bandbreite „umfasst das Medium Buch in seinen herstellerischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bezügen“ (S. 6) und der Anspruch ist, das Historische mit dem Modernen, Technikgeschichte mit Wirtschaft und Kultur zu verbinden.
Einen guten Überblick über die Schwerpunktsetzung geben die sogenannten „zentralen Artikel“, die auch typographisch herausgehoben werden; sie sind nicht zweispaltig, sondern in der ganzen Satzbreite gedruckt. Es sind 25 der etwa 1.600 Einträge, und die zughörigen Stichworte lauten: Antiquariatsbuchhandel, Bibliothek, Bildschirmtypographie, Buch, Bucheinband, Buchgeschichte, Buchhandel, Buchillustration, Buchmalerei, Buchwissenschaft, Colour Managment System, Deutsche Bibliographie, Edition, Elektronisches Publizieren, Honorar, Kommunikationskontrolle, Lesen, Papier, Preisbindung, Schrift, Titel, Typographie, Urheberrecht, Verlag und Zeitung. Einiges daran mag überraschen – wie die Kommunikationskontrolle – doch insgesamt wird schon hier deutlich, dass tatsächlich alle Bereiche einbezogen wurden: Herstellungstechniken und Handel, Markt und Marketing, Recht und Zensur, Layout und Lesen, Schreiben und Durcken, Buchausstattung und moderne Technologien.
Stellt man die Frage nach der Repräsentanz der verschiedenen Bereiche, entsteht der Eindruck eines gewissen Übergewichts nicht buchspezifischer Begriffe aus dem Bereich Marketing und Betriebswissenschaft (Abrechnung – gemeint ist hier nur die zwischen Buchhandel und Verlagen -, Branding, Business to business, Erfüllungsanspruch, Gmeinkosten u. v. a.) und aus dem Bereich der neuen Technologien (Dateiformat, Datenaustausch, EDV, Netzwerk, World Wide Web u. v. a.). Das trägt einerseits der Durchökonomisierung des Buchgeschäfts Rechnung und reflektiert andererseits die aktuelle Faszination der Entwicklung auf dem Mediensektor, deren Grundlagen und Voraussetzungen doch noch nicht als Allgemeinwissen verankert zu sein scheinen.
Tendenziell zeigt sich das Lexikon an neuen Technologien vielleicht ein wenig mehr interessiert als an Begriffen der traditionellen Buchkultur. Aufeinanderfolgenden Begriffen wie Exlibris und Expert-Fonts sind etwa gleich lange Einträge gewidmet, was die historische Dimension doch etwas verkürzt. Auch bei den Werkzeugen der Buchherstellung scheinen die neuen mehr zu interessieren als die alten. Das Falzbein sucht man vergeblich, Flachbettscanner, Trommelscanner oder CD-Brenner werden ausführlich vorgestellt.
Doch das ist allenfalls eine Tendenz, denn insgesamt lässt die Fülle der Stichworte kaum etwas zu wünschen übrig, und für den Buchliebhaber gibt es jede Menge zu entdecken, und sei es die lange Geschichte des Absatzzeichens, das uns erst vom Bildschirm her wieder vertraut geworden ist. Wir erfahren, dass der Bücherbus (der nicht vorkommt) in Deutschland Auto- oder Fahrbibliothek heißt, wie lange die Schutzfrist einen Autor davor bewahrt, ein „gemeinfreier“ zu werden, wie der Schmutztitel zu seinen Namen kam, was eine Spitzkolumne ist oder ein Kopfsteg, ein Froschschuber oder eine Filete. Wie sich unser DIN A 4-Blatt errechnet oder die Maßeinheit für die Bildauflösung dpi lässt sich hier ebenso nachlesen wie die Tatsache, dass 2001 7.000 Hörbuchtitel im Buchhandel – gemeint ist vermutlich der in Deutschland – auf dem Markt waren. Kompetent sind die genauen Erklärungen zu den Buchformaten und den unterschiedlichen Binde- und Broschur-Varianten. Auch wenn uns die Bücher im Handel herstellungstechnisch heute überwiegend sehr gleichförmig präsentiert werden, ist dieses Wissen für Buchliebhaber doch kein verlorenes.
Reich ist das Angebot an besonders schönen Stichworten wie die Bastardausgabe, der Beißer- oder auch Nackenbeißer-Roman, das Bücherfass, der Bücherfluch oder das Getrüffelte Exemplar.
Bei den Begriffen der jüngsten Technologiegeschichte sind gesicherte Definitionen nicht immer einfach herzustellen, da die Diskussionen noch nicht abgeschlossen sind. Printing on Demand und Books on Demand wird hier nach dem Akteur – Buchhandel oder nicht – unterschieden, eine Festlegung, die wohl noch nicht endgültig geklärt ist. Einige Modebegriffe der ersten Elektronik-Begeisterung scheinen hingegen schon wieder außer Gebrauch, E-Zine oder Fan-Zine sind nicht verzeichnet und fehlen sicher auch nicht wirklich. Der Flyer ist – zum Unterschied vom absenten Folder – präsent, seine Begriffsbestimmung als „umgangsprachlich für Werbeblatt“ wird so auf Dauer vielleicht nicht halten. Auffallend sind mitunter eigentümlich veraltete Begriffe, die dem forcierten Modernitätskonzept etwas gegensteuern, wenn zum Beispiel beim Stichwort Abbildung vom Illustrator und „Lichtbildner“ die Rede ist.
Viele zentrale Begriffe finden sich hier schlüssiger und ausführlicher definiert als in manchen anderen Buchlexika, etwa die Unterscheidung Gesammelte Werke und Ausgewählte Werke. In jedem Fall ist Reclams Sachlexikon des Buches ein gediegenes Standardwerk, zum Nachschlagen wie Schmökern bestens geeignet. Wer dabei auf den Geschmack kommt, kann in der dreißigseitigen Bibliographie jede Menge weiterführender Literatur finden.