#Comic
#Prosa

Rastern. Makros.

Lisa Spalt

// Rezension von Martin Reiterer

„Der Herr mit dem schwarzen hohen Scheitel und dem Schnauzer“ ist nicht gleich „Der Herr mit dem schwarzem hohen Scheitel und dem Schnauzer“. Am Ende finden sich eine Reihe von „Herren mit dem schwarzen hohen Scheitel und dem Schnauzer“ (57), nicht zu verschweigen die „Type mit dem schwarzen hohen Scheitel und dem Schnauzer“ (63).

In Lisa Spalts Textwerk werden Figuren herkömmlicher Art durch Makros ersetzt. Gestalten wie „der bekannte Herr“, „Frau (HIHI) Schneiderpuppe“, „Schwester (LA REVENANTE) Justine“ … tauchen auf und sind da, kommen und gehen, verzweigen sich in ein Handlungsnetz und interagieren – punktuell, aber sie entziehen sich dem Zugriff des/der Lesers/in, sobald er/sie sich ihrer vergewissern möchte. Sie widersetzen sich der Identifikation, verflüchtigen sich im Augenblick des Aha.

„Wenn ich einerseits dennoch erzählen, andererseits aber keinen reinen Tatsachenbericht verfassen will, der auf Fiktion verzichtet, muß ich die Erstellung von Figuren und deren Handlungssphären als sprachlich gemachte offenlegen.“ (Lisa Spalt im Selbstkommentar)

Zugleich Erzählen und Dekonstruktion des Erzählens ist ein Programm des Textes. Sowohl Makros als auch Raster verweisen auf den mithin berühmt-alltäglichen Computer-Jargon, das Erstellen von Makros wie das Ausrichten am Raster sind Automatisierungen von Aufgaben, in der militanteren Formulierung von Microsoft etwa „benutzerdefinierte Befehle“: „Ein Makro besteht aus einer Reihe von Word-Befehlen und Anweisungen, die zu einem einzigen Befehl gruppiert werden, so dass eine Aufgabe automatisch ausgeführt wird.“ Spalts Anwendung von Makros auf der Ebene des Textes/Comics erfolgt durch den Einsatz von wiederkehrenden Wortgefügen, die als schablonenhaft angedeutete Figuren und Gegenstände das Grundgewebe des Textes konstituieren. Die unmittelbare Plastizität der einzelnen Ereignisse wie Figuren löst sich im nächsten Moment der Lektüre auf ins Virtuelle – ins Irritierende. Diese Oszillation zwischen Greifbarkeit und Entschwinden des Erzählten, zwischen aufgebauter Erwartung und unerfülltem suspense macht den Reiz des derart Erzählten aus. Und in diesem Zwischenraum entfaltet der Text eine erstaunliche Sinnlichkeit, die auf der Formulierebene und in der Sprache der Autorin begründet ist: in den Wortspielen, die auf die Gemachtheit der Wörter hinweisen; in den antigrammatischen Sätzen, in den doppelten Ausgängen der Sätze, denen eine eigentümliche Ironie innewohnt: „Daß, daß die Mutter (ACH) Königin sich demnächst ins Wasser werfen werde, wäre, was sie gesagt hat, hat nicht gestimmt, wenn sie stundenlang von Naturküche und Fen-Shui gesprochen hat.“ (21) Solche Sätze bedürfen, um erfasst zu werden, vermutlich einer gleichzeitigen Vor- und Rückwärtslektüre – eine Technik, die zu erlernen im Lauf der Lektüre durchaus ihren Reiz zu entwickeln, zugleich herkömmliche Lesegewohnheiten in Frage zu stellen vermag.

Hinzu kommen die hübsch gezeichneten Comics, die ebenfalls Textfetzen enthalten und vielversprechend von „dii pokjenoms“ präsentiert werden. Sie fungieren als „Kapitelüberschriften“ zu insgesamt 11 „Situationskomplexen“ entsprechend den 11 Kapiteln und treten in ein vexierbildhaftes Wechselspiel zwischen Sprach- und Bildebenen.

Rastern. Makros.
Wien: Das fröhliche Wohnzimmer, 2001.
92 Seiten, broschiert, mit Zeichnungen der Autorin.
ISBN 3-900956-58-8.

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Rezension vom 18.02.2002

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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