#Prosa
#Debüt

Rampenflucht

Michael Dangl

// Rezension von Angelo Algieri

Ein Nachspiel.

„Ein Nestbeschmutzer!“ So werden die Schauspielerkollegen wohl ausrufen – und nicht nur sie! Auch Assistenten, Regisseure, Intendanten – kurz: der ganze Theaterbetrieb. Denn der Schauspieler Michael Dangl zeigt in seiner Posa Rampenflucht. Ein Nachspiel, was in der Theaterpraxis alles falsch läuft.

Der in Salzburg geborene Michael Dangl ist Film- und Theaterschauspieler: Er hat u. a. in den TV-Serien „Kommissar Rex“ und „Soko Donau“ gespielt und ist seit 1998 festes Ensemble-Mitglied des Theaters in der Josefstadt in Wien. Er hat die Theaterwelt von der Pike auf kennengelernt: Bereits als Kind hatte er Auftritte bei der von seinen Eltern geleiteten Theatergruppe. Mittlerweile schreibt er auch Theaterstücke, wie die zusammen mit seinen Eltern entstandene Komödie „Denn das Glück ist immer da“, die 2008 in Salzburg uraufgeführt worden ist.

Nun legt Dangl sein Prosadebüt vor: Es geht um den Theaterschauspieler Stefan Kowalsky, der bei einer Premiere unerwartet mit folgenden Worten von der Bühne abgeht: „… aber so geht das nicht … darum werde ich jetzt gehen … auf Wiedersehen.“ Zunächst macht sich im Publikum und bei den Kollegen Sprachlosigkeit breit – doch das kümmert Kowalsky nicht. Er möchte seine bisherige „Existenz ausradieren“. Er kündigt seine Wohnung, entsorgt sämtliche Habseligkeiten, beantwortet weder Telefonate noch E-Mails, und kündigt beim Theater. Ein sauberer und konsequenter Cut. Schon ein paar Tage später fährt er nach Venedig, um dort die Fähre nach Griechenland zu nehmen. – Bis hierhin ist der Plot zwar interessant, doch was diese Prosa so spannend macht, sind die Gedanken des Protagonisten, die er seit dem „Eklat“ allen Orts aufschreibt – zuletzt in Venedig –ehe er dieses Gedanken-Manuskript an einen Verlag schickt. Es sind Gedanken über das Theater, besser gesagt über den gegenwärtigen Theaterbetrieb. Dabei spricht er alles an: Von der schwarzen, kahlen Bühne über den wahnwitzigen Produktionsprozess, das Verhalten von Kollegen, Regisseuren und Intendanten. Kowalsky erspart seine Kritik nichts und niemandem, auch nicht dem gesetzten Theaterpublikum. Amüsante Passagen liefert das geschilderte Verhalten des leidenschaftlichen Schauspielers und Berufsdarstellers bei den Proben. Doch Kowalsky nimmt auch sich selbst nicht aus: Im letzten Kapitel, als er – an Johnny Cashs Lied „Twenty-five minutes to go“ angelehnt – sein Lampenfieber und seine Gedanken 24 Stunden vor einem Premierenauftritt im Count-Down aufschreibt, lesen wir eine distanzierte, ironische Selbstbeobachtung des berühmten Mimen.

Mit der aus dem Theatersück „Butterbrot“ von Gabriel Barylli entlehnten Figur Stefan Kowalsky liest Michael Dangl der eigenen Zunft die Leviten. Er zeigt sehr präzise auf, wie der Theaterbetrieb sich von der ursprünglichen Idee und der Funktion des modernen Theaters seit der Aufklärung entfernt und sich geradezu auf absurde Weise in deren Gegenteil verkehrt hat: Von der Starhuldigung, die ein Schauspieler gerade von seiten des Publikums erfährt, bis hin zu mangelndem Demokratieverständnis im Verhältnis von Regisseuren zu „ihren“ Schauspielern.

Dem 42-jährigen Dangl ist es mit Rampenflucht gelungen, den teils absurden Theateralltag exakt und unterhaltsam zu beschreiben und die Probleme beim Namen zu nennen. Dass er als Nestbeschmutzer angeprangert werden wird, kann er wohl mit Gelassenheit hinnehmen. Denn: Er ist ein Nestbeschmutzer – aus Liebe zum Theater!

Michael Dangl Rampenflucht
Prosa.
Wien: Braumüller, 2010.
142 S.; geb.
ISBN 978-3-99200-014-2.

Rezension vom 20.12.2010

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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