#Prosa

Rainer Maria sucht das Paradies

Daniel Glattauer

// Rezension von Christine Schranz

Immer dann, wenn man glaubt, man kenne Daniel Glattauer, schreibt er ein neues Buch. Rainer Maria sucht das Paradies ist amüsant, absurd, köstlich illustriert und vor allem eines: anders als andere Geschichten.

Rainer Maria ist eine Nacktschnecke aus dem niederösterreichischen Waldviertel. Er wohnt „in einem feuchten, kalten Loch unter Brennnesselwurzeln und freut sich schon auf sein nächstes Leben.“ Rainer Maria trinkt gerne Bier, grübelt über den Sinn des Lebens nach und ist leidenschaftlicher Rilke-Fan. Sein größtes Problem: Niemand mag ihn, weil er so hässlich ist.

Als Rainer Maria die Garnele Tiger Lilly Prawn kennenlernt, die „an einem milden Septembermorgen“ vor dem Restaurant „Die Sieben Hauben“ aus einem Meeresfrüchtetransporter purzelt, ändert sich sein tristes Dasein. Gemeinsam machen sich die beiden auf den Weg nach Italien, wo Rainer Maria hofft, das Paradies – die Shrimpsfarm „Bel Paradiso Adriatico“ – zu finden.

Da das Gras auf der anderen Seite grüner und die andere Seite bekanntermaßen immer gerade dort ist, wo man selbst nicht ist, entpuppt sich Italien als Enttäuschung: der Strand zu sandig, das Meer zu salzig und zu viele Shrimpsfänger auf der Jagd nach kleinen Tiger Lillys. Daher machen sich Rainer Maria und Lilly wieder auf den Rückweg ins Waldviertel, um – wie schon Janoschs kleiner Bär und kleiner Tiger – festzustellen, dass es zuhause eben doch am schönsten ist. Die Reise war natürlich nicht umsonst – schließlich dauert es für eine Nacktschnecke schon einige hundert Kilometer, bis sie sich mit Rilke-Gedichten ins Herz einer Garnelendame zitiert hat.

Als die neuen Freunde im Waldviertel ankommen, ist es Winter. Rainer Maria macht sich sofort daran, sein Erdloch auszubauen – „Unterkellerung, Wärmedämmung, Einbauküche, Wintergarten, Badezimmer, Damen-WC“ – und für Weihnachten zu dekorieren. „Und dann feierten sie so lang Weihnachten, bis das Jahr neu war.“

Rainer Maria sucht das Paradies lässt zwar weder die wunderbare Sehnsucht aus „Gut gegen Nordwind“ noch den Birnenkuchen-von-Max-Geschmack auf der Zunge zurück, den wir aus dem „Weihnachtshund“ kennen – aber das wäre auch ein bisschen viel verlangt von einer Rilke zitierenden Nacktschnecke. Mit Glattauers Fantasie und Johanna Roithers Illustrationen sind Rainer Marias Abenteuer aber auf jeden Fall zu einem amüsanten Buch für große und kleine Kinder geworden. Man darf gespannt sein, was Daniel Glattauer sich als nächstes einfallen lässt.

Daniel Glattauer Rainer Maria sucht das Paradies
Kinderbuch.
Illustriert von Johanna Roither.
Wien: Deuticke, 2008.
41 S.; geb.
ISBN 978-3-552-06082-1.

Rezension vom 19.08.2008

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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