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Paurs Traum

Andreas Schindl

// Rezension von Spunk Seipel

Träume, sie tauchen auf und werden vergessen. Manche Menschen lassen sie nie ganz los und sie prägen ihr Leben. Andreas Schindl hat in seinem Debütroman den utopischen Lebenstraum des Waldviertler Bauernsohns Leopold Paur für uns wiederentdeckt, der eine Stadt der Träume bauen wollte. Eine Stadt, die heute mehr denn je gebraucht werden würde.

1735 wird Leopold Paur in Altenburg bei Horn als Sohn eines Landwirts und Dorfrichters geboren. Die Mutter stirbt früh und der alkoholkranke Vater kann dem Sohn keinen Halt geben. Erst spät entdeckt Leopold, dass sein Vater die Mutter mit Syphillis angesteckt hatte und für ihren Tod verantwortlich ist. Gerade deshalb hatte Leopold unter dem Spott der Mitmenschen zu leiden.

Für ihn ist Wien ein Fluchtpunkt, wo er ganz neu anfangen kann und niemand seine Vorgeschichte kennt. Hier studiert er Jura und sammelt die ersten Erfahrungen mit Frauen, bis er in eine der erfolgreichsten Handelsfamilien einheiraten kann. Doch er bleibt ein Getriebener, sowohl von seiner Frau, die mehr erwartet hat und stets darunter leidet einen Bauernsohn geheiratet zu haben, als auch von seinen eigenen Träumen.

Von Kindheit an beschäftigt ihn die Idee, in seiner Heimat eine ideale Stadt zu errichten, in der Menschen aus allen Teilen der Welt zusammenleben und nach Ideen suchen sollen, um die Welt zu verbessern. Das besondere dabei ist, und hierin unterscheidet er sich von den meisten Utopisten, die vor ihm oder zu seiner Zeit gelebt haben, dass diese utopische Stadt mitten im Waldviertel und nicht auf einer abgelegenen Insel entstehen sollte und dass die Bewohner keinem finanziellen Druck ausgesetzt sein sollten. Träumer und Müßiggänger sollten neben Handwerkern, Philosophen und Ärzten leben und sich gegenseitig inspirieren. Leopold Paur wollte ihnen eine Art garantiertes Grundeinkommen zusichern, eine wahrlich revolutionäre Idee zur damaligen Zeit. Aber wie sollte all das finanziert werden? Das war die große Frage, die Paur umtrieb.

Um Kontakte zu finanzkräftigen Leuten zu knüpfen wird er Mitglied der Freimaurer, in denen er Menschen zu erkennen glaubt, die offen für neue Ideen sind. Er muss allerdings feststellen, dass die Freimaurer gar nicht so begeistert von seinen Utopien sind, wie er erwartet hatte. Letztendlich sind unter ihnen einige der lautesten Kritiker seiner Stadt der Träume.

Sein Plan, mittels einer Arznei gegen Syphillis den Bau und den Unterhalt der Stadt zu finanzieren, lässt Leopold Paur zu einer verspotteten Randfigur werden, die finanziell wie privat scheitert. Seine Utopie wird nach seinem Tod schnell vergessen, sie passt nicht zu der neuen Zeit.

Um so wichtiger ist die Wiederentdeckung dieses österreichischen Utopisten durch Andreas Schindl in seinem Debütroman. Schindl schildert uns eine Zeit mit all ihren Widersprüchen und Umbrüchen, die schnell vergessen macht, dass man gerne auch von der „Guten alten Zeit“ spricht. Heute weitgehend unbekannte historische Ereignisse wie den Berliner Husarenritt, als die Österreicher für einen Tag Berlin besetzten, oder den Papstbesuch in Wien 1782 führt er ebenso nebenbei in die Geschichte ein wie berühmt- berüchtigte Persönlichkeiten der damaligen Zeit, etwa den Grafen von Saint Germain oder Details des damaligen Wiener Stadtbildes, die selbst manchen Wienern unbekannt sein mögen. Die Bewegung der Freimaurer als innovative, proaufklärerische Macht und ihr bürokratisches Ende werden von Schindl ausführlich erzählt, ohne in dümmliche Geheimniskrämerei abzudriften. Selbst die Umbrüche zwischen Kirche und Staat am Beispiel des Verbots des Jesuitenordens werden wie nebenbei erzählt. Es ist ein gut recherchiertes Buch, das vor allem in der Sprache einen Spiegel der Epoche von Kaiserin Maria Theresia und Kaiser Josef II gibt. Wer alte Wörter und längst vergessene Formulierungen liebt, ist mit diesem Text gut beraten.

So kann man dem Autor leicht verzeihen, dass er sich in seinem Debütroman manchmal zu sehr in Liebesgeschichten und Eheprobleme verliert. Das ist die Rahmenhandlung, die der Autor braucht, um die Geschichte einer Epoche und des gescheiterten Utopisten Leopold Paur für uns neu zu entdecken und uns heute von einer utopischen Stadt im Waldviertel träumen zu lassen.

Paurs Traum.
Roman.
Wien: Braumüller Verlag, 2018.
384 Seiten, gebunden.
ISBN 978-3-99200-218-4.

Homepage des Autors

Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autor

Rezension vom 11.12.2018

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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