#Prosa

Oh, das bin ja ich

Mark Allen Klenk

// Rezension von Erkan Osmanovic

Der Panther im Raum

Oben drei Männer in einem VW-Bus und zwei Lastwagen, unten die Sava – und dazwischen eine Fähre. Die Männer müssen auf die andere Seite des Flusses. Sollte einer der Lastwagen die Fähre zu früh verlassen, kippt das Schiff und reißt alle mit. Was ist zu tun? Ruhig bleiben! Wir sind mitten in Mark Allen Klenks autobiographischer Erzählung Meine Reise aus der Naivität. Der Jugoslawienkrieg ist seit kurzem vorbei. Häuserwände voller Einschusslöcher, Minen und Männer mit automatischen Gewehren prägen die Dörfer und Städte: Gemeinsam mit dem Amerikaner Jon und dem Kärntner Slowenen Milan ist der Ich-Erzähler in einem VW-Bus von Graz aufgebrochen, um im Auftrag einer Hilfsorganisation beim Wiederaufbau Bosniens zu helfen. Dabei entdeckt er neben dem Leid der Menschen auch einen neuen Blick auf sein eigenes Leben.

Der österreichisch-amerikanische Autor versammelt in seinem Buch Oh, das bin ja ich, wie bereits dessen Untertitel erklärt, Erzählungen über Sinn und Leben. Klenks Palette reicht dabei von biographischen Berichten über Essays bis hin zu Ausflügen in den Magischen Realismus. So führt er uns etwa in Das weltlose Mädchen in das Leben von Maria: Diese muss für Ihre Eltern mit Beamten telefonieren, Spickzettel für die Amtswege ihres Vaters schreiben und alles ins Deutsche übersetzen, übersetzen und noch mehr übersetzen. Ihre Lösung? Ein Panther. Die Großkatze erscheint immer wieder in ihrem Zimmer, hört ihr zu, gibt ihr Ratschläge – ist für sie da. Ist die Großkatze bloß das Produkt eines Kindes oder steht sie doch für mehr?

Mit dem Auge fühlen

Keine Erzählung gleicht der anderen und doch verbindet sie Klenks Sprache. Es ist eine Unruhe, die seine Verben und Nomen verknüpft. Dabei schwankt der Ton – oder besser gesagt die Farben. Die neun Erzählungen und das kleine Prosastück Zeit wirken wie Gemälde in einer Galerie. Die Lektüre eines jedes Texts gleicht einem Nachspüren von Pinsel- und Bleistiftstrichen. Mal findet man sich in einer historischen Skizze wie 1. Mai 1933 – Buridans Esel, ein anderes Mal kommt ein Text wie ein impressionistisches Bild daher, etwa Innere Dämonen. Der Eindruck kommt wohl nicht von ungefähr. Denn Klenk ist auch als Bildender Künstler und Fotograf tätig.
Warum die verschiedenen Geschichten? Wo ist der rote Faden? Die Antwort gibt Klenk in seinem Vorwort Ein Wort vom Autor: In seinem Buch gehe es weniger darum, wichtige Ären der Zeit zu dokumentieren, sondern Erlebnisse und Gefühle aufzubewahren und sie mit den kommenden Generationen zu teilen. Die Texte seien „Snapshots“ dieser Momente.
Oh, das bin ja ich ist nicht nur ein Erzählband, sondern eine Vorlage für eigene Geschichten, Erlebnisse – und vor allem Gefühle. Wer sich auf die wilde Lektüre einlässt, nimmt in jedem Fall etwas mit. Auch wenn es nur ein anderer Blick auf die eigene Welt ist.

Mark Allen Klenk Oh, das bin ja ich
Erzählungen über Sinn und Leben.
Wien: Löcker (edition pen), 2022.
124 S.; brosch.
ISBN 978-3-99098-118-4.

Rezension vom 22.12.2022

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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