Trotz der Periodisierung 1945 bis 2000 setzt auch der vorliegende Sammelband mit der Frage nach dem Fortleben der Tradition von Nestroy (Gerald Stieg, Johann Hütter) und dem Hanswurst (Johann Sonnleitner) bei Thomas Bernhard oder den Texten der „Wiener Gruppe“ ein. Sigurd Paul Scheichl beschäftigt sich mit den „Erben“ von Karl Kraus: von der Ein-Mann-Zeitschrift wie „Das Ziegeneuter“ Michael Guttenbrunners (1966 – 1978) bis zur Instrumentalisierung von Krausscher Redekritik für den politischen Alltagskampf des streitbaren Antikommunisten Friedrich Torberg oder die Ablösung des Zitats als krausschem Angriffsinstrument durch die Auflösung der logischen und syntaktischen Struktur des angegriffenen Autors / Textes in den Arbeiten der „Wiener Gruppe“.
Weitere Beiträge beschäftigen sich natürlich mit Helmut Qualtinger und Carl Merz (diesfalls gleich zwei: Alfred Pfabigan, Ingeborg Rabenstein-Michel), mit Werner Kofler (Klaus Amann), Antonio Fian (Jacques Lajarrige) und Thomas Bernhard (Jacques Le Rider). Christine Meyer arbeitet mit Blick auf die „Übertreibungskunst“ eine sehr spannende Parallelität zwischen Thomas Bernhard und Elias Canetti heraus, zwei Autoren, deren Gegensätzlichkeit sich 1976 auch in einem öffentlichen Schlagabtausch manifestierte.
Etwas überraschender, allerdings auch nicht ganz überzeugend sind die beiden Beiträge zu Josef Haslingers „Opernball“ (Hélène Weishard) und Robert Schneiders „Die Luftgängerin“ (Christine Aquatias). Scheint im ersten Fall eine zu einlässige Gleichsetzung von Satire mit Gesellschaftskritik vorzuliegen, ist im Fall Robert Schneiders die Autorin schlussendlich selbst über den realen Satiregehalt nicht ganz sicher. Tatsächlich gilt es wohl sehr genau zu unterscheiden zwischen Beschimpfung, Verunglimpfung, Spott und tatsächlicher Satire, die einer gewissen Distanz, eines intellektuellen Abstands zum Gegenstand bedarf. Dass Autoren, die einem zum Thema Satire spontan einfallen, wie Reinhard P. Gruber oder Alois Brandstetter, nicht vertreten sind, ist aufgrund der notwendigen und immer schmerzlichen Beschränkung auf eine überschaubare Zahl von Beiträgen durchaus verständlich.
Besonders spannend sind die Beiträge immer dort, wo Autoren in den Blick geraten, die man nicht sofort mit Satire verbindet. So untersucht Adelheid Koch-Didier satirische Ausdrucksformen bei Raoul Hausmann und Annette Daigger die Satire in den Hörspielen von Gerhard Fritsch. Es mag ein Zufall sein, dass diese beiden innovativen Beiträge von Frauen stammen. Und es ist auch eine Frau, nämlich die Co-Herausgeberin Jeanne Benay, die mit ihrem Beitrag zu Fritz Hochwälder und Margret Kreidl den Band davor bewahrt, dass Elfriede Jelinek (Rosemarie Zeller, die drei frühe Romane der Autorin untersucht) die einzige österreichische Autorin nach 1945 bleibt, der das Thema Satire zugeordnet wird. Es ist nicht ganz verständlich, dass Satirepotentiale bei Veza Canetti, Ingeborg Bachmann, Marlen Haushofer oder auch bei Autorinnen der jüngeren Generation wie Lilian Faschinger so gleichsam programmatisch ausgeklammert bleiben. Eine ergänzende Lektüre des soeben bei Zsolnay erschienenen Bandes „Frauen verstehen keinen Spass“ sei daher dringlich angeraten.